Das CARS veröffentlicht Working Paper #015 von Olaf Kistenmacher
Zur Erklärung der Israelfeindschaft in der radikalen Linken wird oft das Motiv der Erinnerungs- und Schuldabwehr angeführt. Insbesondere die Gleichsetzung des jüdischen Staats mit Nazi-Deutschland scheint durch den unbewussten Wunsch motiviert, die Shoah zu relativieren. Doch schon vor 1933 entsprach der Antizionismus der KPD dem Muster des israelbezogenen Antisemitismus: Der Zionismus wurde delegitimiert, dämonisiert und nach anderen Maßstäben beurteilt als andere nationale Befreiungsbewegungen. Selbst die Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus gab es schon vor 1933. Beim antizionistischen Antisemitismus müssen zu dem Motiv der Schuldabwehr noch ältere hinzukommen. Wie am Beispiel der KPD deutlich wird, ergab sich der Antizionismus zur Zeit der Weimarer Republik nicht nur aus einem spezifisch kommunistischen Nationalismus. Er stand im Zentralorgan der KPD, Die Rote Fahne, in einem Kontext, in dem ein „jüdisches Kapital“ mitverantwortlich gemacht wurde für den Aufstieg des Faschismus.
Der Autor
Dr. Olaf Kistenmacher hat mit der 2016 erschienenen Studie "Arbeit und »jüdisches Kapital«. Antisemitische Aussagen in der KPD-Tageszeitung »Die Rote Fahne« während der Weimarer Republik" promoviert. Seit über 20 Jahren ist er in der Pädagogik gegen Antisemitismus und Rassismus tätig. Er arbeitet als Buchautor, Journalist und Lektor. Unter dem Titel Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft veröffentlichte er mit Hans-Joachim Hahn zwei Sammelbände zur Kritik des Antisemitismus vor 1945. 2023 erschien sein Buch „Gegen den Geist des Sozialismus“. Anarchistische und kommunistische Kritik der Judenfeindschaft in der KPD zur Zeit der Weimarer Republik. Weitere biografische Angaben und eine aktuelle Veröffentlichungsliste finden sich unter: https://forschungsforum.net/mitglieder/olaf-kistenmacher