Das CARS veröffentlicht Working Paper #019 von Karin Stögner
Die Kritik des Antisemitismus und die Erkenntnis der gesellschaftlichen Bedingungen seiner Möglichkeit waren die treibende Kraft der Entwicklung der Kritischen Theorie nach 1945. Das schloss eine prinzipielle Solidarität mit Israel als dem Staat der Holocaustüberlebenden und ihrer Nachkommen ein. Kritische Theorie war indes nie ein homogenes Theoriegebäude. Nach dem 7. Oktober, der tödlichsten Attacke auf jüdisches Leben seit dem Holocaust, trat in den Reihen kritischer Theoretiker:innen ein Bruch entlang der „Israelfrage“ zutage: Verharmlosungen des misogyn-antisemitischen Hamas-Terrors und Delegitimierungen des Staates Israel werden lautstark vorgetragen, von anderer Seite gibt es Gegenwehr. Dieser Beitrag rekonstruiert die zunehmende Ausblendung der Antisemitismuskritik als treibende Kraft kritischer Theorie und veranschaulicht das anhand der Allianzen zwischen Fraktionen „kritischer“ Theorie und Islamismus, die bereits seit 9/11 zu beobachten sind.
Die Print-Erstveröffentlichung dieses Artikels erscheint im Herbst 2024 in der Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 58-59. Wir bedanken uns ausdrücklich für die Möglichkeit des Vorabdrucks.
DIE AUTORIN
Karin Stögner ist Professorin für Soziologie an der Universität Passau und Gründungsmitglied und Sprecherin des Arbeitskreises Antisemitismus in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS). Sie ist Autorin von „Antisemitismus und Sexismus. Historisch-gesellschaftliche Konstellationen“ (Nomos 2014) und hat gemeinsam mit Alexandra Colligs den Band „Kritische Theorie und Feminismus“ (Suhrkamp 2022) herausgegeben.