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Erstes Forschungsprojekt identifiziert Raumnutzungsverhalten obdachloser Menschen in Köln

katho-Studie erfasst Daten während Corona-Pandemie durch GPS-Tracking, Fotoaufnahmen, Interviews sowie Fragebögen und stellt Hilfeangebote in Stadtkarte zusammen.

Die Abbildung zeigt ein sternförmig-variables Raumnutzungsverhalten eines Obdachlosen, das per GPS-Tracking aufgezeichnet wurde.

Hier zeigt sich eine linienförmig-weiträumige Raumnutzung.

Ein Beispiel für eine kleinräumig-enge Raumnutzung.

Welche Auswirkungen hatte Corona auf das Leben von obdachlosen Menschen in der „verwaisten“ Stadt? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Forschungsprojekt der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) „Raumnutzungsverhalten von Menschen in Obdachlosigkeit – Grundfragen und besondere Aspekte der Corona-Pandemie am Beispiel Kölns“. Dr.in Nora Sellner, Prof. Dr. Werner Schönig und Prof. Dr. Guido Heuel leiteten das Projekt, das unter anderem Bewegungsmuster von Wohnungslosen per GPS-Tracking über einen Zeitraum von sieben Tagen aufzeichnete. An verschiedenen Stellen gab es eine enge Kooperation mit relevanten Akteur_innen der Wohnungslosenhilfe. Dabei entstand neben Erkenntnissen zum Raumnutzungsverhalten eine Stadtkarte zu den Angeboten und Diensten für obdachlose Menschen. Die Daten wurden von Februar bis Juli 2022 erhoben. Die CaritasStiftung im Erzbistum Köln, die Ständige Senatskommission für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, das Transfernetzwerk Soziale Innovation und die Stadt Köln unterstützten das Projekt.

Die Studie bestand aus drei Bausteinen und war partizipativ ausgerichtet: Die per GPS-Tracking aufgezeichneten Bewegungsmuster von zehn Obdachlosen sowie deren Fotoaufnahmen analysierten die Projektverantwortlichen anschließend in Form eines offenen Interviews mit ihnen. Darüber hinaus beantworteten 168 obdachlose Menschen Fragebögen zu ihrem Raumnutzungsverhalten, die über die Angebote und Dienste der Kölner Wohnungslosenhilfe verteilt wurden (Facility-Based-Sampling). Im Anschluss entstand eine Stadtkarte der Kölner Innenstadt, die über professionelle und ehrenamtliche Angebote für obdachlose Menschen informiert. Diese steht den Obdachlosen sowie Fachkräften im Feld der Wohnungsnotfallhilfe ab sofort in digitaler und gedruckter Form zur Verfügung.

„Der von uns gewählte partizipative Forschungsansatz und die Kombination unterschiedlicher Forschungsmethoden, vor allem die Erhebung der Tracking-Daten, ist einmalig und hebt unsere Untersuchung hervor“, sagt Sellner. „Hieraus ergeben sich weitere Anhaltspunkte für die Forschung und Praxis im Handlungsfeld der Wohnungsnotfallhilfe.“ Durch die Tracking-Daten konnten unterschiedliche Muster des Raumnutzungsverhaltens obdachloser Menschen rekonstruiert werden: Die Teilnehmenden nutzten alltägliche, feste Wege um den Lebensmittelpunkt, aber auch eine stellenweise Erweiterung außerhalb ihrer festen Routen. Sie wählten hauptsächlich den ÖPNV als Fortbewegungsmöglichkeit oder gingen zu Fuß. Corona änderte das Raumnutzungsverhalten wenig, jedoch wurden die Zugangsmöglichkeiten zum Hilfesystem deutlich erschwert: etwa durch die Testpflicht, die Begrenzung der Zahl der Besucher_innen oder die Begrenzung der Dauer des Aufenthaltes. Außerdem entfielen aufgrund strengerer Kontrollen in der Pandemie auch informelle Schlafmöglichkeiten.

Es konnten drei unterschiedliche Raumnutzungstypen identifiziert werden: Der Großteil der obdachlosen Menschen in Köln handelt angebotsinitiiert und nutzt die öffentlichen Unterstützungsangebote der Stadt aktiv. Der selbstinitiierte Typ kümmert sich persönlich um seine Belange, ohne das städtische Hilfeangebot in Anspruch zu nehmen. Der dritte Typ ist eine Kombination aus den ersten beiden Typen.

Das Projektziel war, das Raumnutzungsverhalten Obdachloser zu identifizieren und anhand dessen Handlungsempfehlungen zu formulieren, die für die Praxis und Wissenschaft zugänglich gemacht werden sollen. Durch das Einbinden von Interessenvertreter_innen und Leitungsverantwortlichen der Hilfeanbieter, Leistungsträgern und Mitarbeitenden der Einrichtungen und (ehemals) Wohnungslosen konnten weitreichende Einblicke in die Hilfeinfrastruktur gesammelt werden. Dies geschah in einer Reihe von Workshops, die die gesamte Studie begleitete.


Zu den Personen:

Nora Sellner war im Rahmen des Projekts wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sozialwesen an der katho am Standort Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich Theorien, Konzepte und Methoden der Wohnungsnotfallhilfe, Soziale Arbeit mit marginalen Gruppen sowie Armut und soziale Exklusion.

Werner Schönig ist Professor für Sozialökonomik und Konzepte der Sozialen Arbeit an der katho am Standort Köln. Seine Forschungsschwerpunkte sind Soziale Dienste und Armut, Kommunale Handlungskonzepte sowie Sozialökonomische Fragestellungen.

Guido Heuel ist Professor im Fachbereich Sozialwesen an der katho am Standort Köln. Er lehrt im Bereich Organisation der personenbezogenen sozialen Dienstleistung sowie Alter und Altern in der Gesellschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich Lebensalter und Gesellschaft sowie soziale Ungleichheit und Entwicklungschancen im Leben.


Weitere Infos zur Studie:

Sellner, N., Heuel, G., Schönig, W. (2023). Die tägliche Bahn als Corona-Hindernislauf. Muster des Raumnutzungsverhaltens obdachloser Menschen im städtischen Sozialraum. In: Sowa, F., Heinrich, M. and Heinzelmann, F. Obdach- und Wohnungslosigkeit in pandemischen Zeiten: Interdisziplinäre Perspektiven, transcript Verlag, 2023.

 

Gefördert durch:

Verena Behr

Pressekontakt

Verena Behr

Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Köln, Dezernat VI - Akademische Angelegenheiten

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