Matheus Hagedorny beim Minerva–Wiener Workshop in Tel Aviv
Der Vortrag „Ambivalent Projections: The New Right’s Discourse on Israel and Islam in Germany“, der ideologische Strategien und Mobilisierungsformen im Umfeld der extremen Rechten thematisiert. Foto: privat
Das Minerva Institute for German History ist ein führendes Forschungszentrum, das durch die Minerva Foundation der Max-Planck-Gesellschaft gefördert wird. Ziel des Instituts ist es, die Erforschung deutscher Geschichte und deutsch-jüdischer Kultur zu fördern und den internationalen Austausch zwischen Wissenschaftler_innen aus Israel, Deutschland und weiteren Ländern zu unterstützen. Dazu organisiert das Institut Konferenzen, Workshops und Seminare, fördert Publikationen und bietet Plattformen für interdisziplinäre Projekte. Besonderes Augenmerk liegt auf Themen wie Migration, Erinnerungskultur, politischen Ideologien und transnationalen historischen Zusammenhängen.
Im Rahmen der Tagung bot das Institut Zugang zur Wiener Library for the Study of the Nazi Era and the Holocaust, einem der weltweit führenden Archive zur Erforschung des Nationalsozialismus, des Holocaust und der deutsch-jüdischen Geschichte. Die Bibliothek stellt umfangreiche Quellen, Dokumente und Sammlungen zur Verfügung, die Forschenden die Arbeit an historischen Fragestellungen erheblich erleichtern und den Austausch zwischen Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Ländern und Disziplinen fördern. Durch diese Arbeit leistet das Institut einen wichtigen Beitrag sowohl zur akademischen Forschung als auch zum gesellschaftlichen Diskurs über historische und gegenwärtige Fragestellungen im deutsch-israelischen Kontext.
Tagungsthema
Die diesjährige Tagung stand unter dem Motto „Antisemitism, Racism, Right-Wing Radicalism: How Current Events Inform Historical Understanding, and Vice Versa“ und brachte israelische und deutsche Forschende zusammen, um die Wechselwirkungen zwischen aktuellen politischen Entwicklungen und historischen Deutungsmustern zu diskutieren.
Nach einer Einführung in das Wiener Archiv durch Prof. Dr. Amir Teicher (Tel Aviv University) eröffnete Prof.in Dr. Stefanie Schüler-Springorum (ZfA, TU Berlin) die erste thematische Sektion mit einem Vortrag über den Gebrauch von Nazi-Vergleichen in gegenwärtigen politischen Debatten. Es folgten Beiträge von Prof. Dr. Gadi Algazi (Tel Aviv University) und weiteren Forschenden, die das Verhältnis zwischen historischen Erfahrungen, Erinnerungskulturen und aktuellen politischen Herausforderungen beleuchteten.
Besonders die Vorträge zur Bedeutung des 7. Oktober 2023 in Israel verdeutlichten, wie stark jüngste Ereignisse gesellschaftliche Diskurse und wissenschaftliche Analysen prägen. In diesem Zusammenhang zeigte Nikolai Schreiter (Universität Passau) in seinem Vortrag „Antisemitic Crisis Discourses, October 7th, and ‘Pro-Israel’ Positions“ auf, wie Teile der extremen Rechten den Angriff vom 7. Oktober nutzen, um bestehende antisemitische Deutungsmuster zu verstärken und „pro-israelische“ Positionen strategisch für die eigenen politischen Zwecke einzusetzen.
Am zweiten Konferenztag standen Beiträge zur Erinnerung an den Holocaust im Kontext aktueller Konfliktlagen, insbesondere im Hinblick auf Gaza, sowie Veränderungen antisemitischer Diskurse nach 1945 und Wahrnehmungen Israels in der Bundesrepublik auf dem Programm.
Hagedornys Vortrag über neurechte Israel- und Islamdebatten
In Session VI, Antisemitism and the Far Right, präsentierte Hagedorny seinen Vortrag „Ambivalent Projections: The New Right’s Discourse on Israel and Islam in Germany“. Er zeigte, wie die deutsche Neue Rechte seit den 1960er Jahren ihre Haltung zu Israel und zum Islam entwickelt hat, welche ideologischen Ambivalenzen bestehen und wie diese Muster bis in aktuelle politische Debatten hineinwirken. Israel wird demnach in Teilen des neurechten Milieus als strategischer Verbündeter gegen eine angenommene „Islamisierung“ gesehen, während andere Strömungen islamische Akteure als mögliche Partner gegen westlich-liberale Einflüsse einbeziehen. Hagedorny betonte, dass diese widersprüchlichen Deutungen kein Zeichen von Inkonsistenz sind, sondern strategische Flexibilität und ideologische Anschlussfähigkeit der Neuen Rechten widerspiegeln. Sein Vortrag stieß auf großes Interesse und führte zu intensiven Diskussionen über historische Vergleiche, strategische Positionierungen und Mobilisierungsformen innerhalb der extremen Rechten.
Die abschließenden Sektionen des Workshops erweiterten den Blick auf globale Entwicklungen, darunter internationale faschistische Netzwerke sowie die Bedeutung rassistischer Codes und kolonialer Begriffe in politischen Diskursen.
Neue Impulse für die Forschung
Die Teilnahme an der Tagung brachte Hagedorny neue Impulse für seine Forschung und stärkte zugleich die internationale Vernetzung des CARS. Die Veranstaltung zeichnete sich durch einen offenen, lebendigen Austausch auf hohem wissenschaftlichen Niveau aus und lieferte wertvolle Einsichten in die Analyse aktueller Formen von Antisemitismus und Rassismus im historischen Kontext.
Der Referent
Matheus Hagedorny ist seit über zehn Jahren in der antisemitismuskritischen politischen Bildung tätig und bringt umfangreiche wissenschaftliche und praxisnahe Expertise mit. Er war Program Manager des Mideast Freedom Forum Berlin für das Projekt Bildungsbaustein Israel (2015-16), Lehrbeauftragter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin (2017), Bildungsreferent für das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (2018), Visiting Scholar an der University of Michigan, Ann Arbor (2022) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Else-Frenkel-Brunswick-Institut an der Universität Leipzig (2024). 2025 wurde er an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam über „Islambilder der bundesdeutschen Neuen Rechten 1970-2005“ im Fach Politikwissenschaften promoviert.
Weitere Informationen
Kontakt
Matheus Hagedorny
Wissenschaftliche Leitung im Projekt „Israelbezogenem Antisemitismus an Hochschulen entgegentreten“ (IBAS)
Köln, Sozialwesen