„Mehr als Leitbilder“: IbiP veröffentlicht neues Buch
„Mehr als Leitbilder“ – so lautet der Titel eines neuen Bandes, der jüngst im Herder-Verlag, Freiburg, erschienen ist. „Ansprüche an eine christliche Unternehmenskultur“ – so lautet der Untertitel des in der Reihe „Kirche in Zeiten der Veränderung“ herausgegebenen Buches von Prof. Dr. Christiane Koch, Professorin für Biblische Theologie und Prodekanin des Fachbereichs Theologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) am Standort Paderborn sowie, Prof. Dr. Hans Hobelsberger, Rektor der katho, und Dipl.-Sozpädagoge Thomas Droege, Geschäftsführer der KJA LRO gGmbH. Bereits im Titel wird also jene Spannung greifbar, die alle hier versammelten Beiträge prägt – das Verhältnis von Evangelium, christlichem Selbstverständnis und unternehmerischer Leitkultur.
Jennifer Jung, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für pastorale Praxisforschung und bibelorientierte Praxisbegleitung (IbiP) am katho-Standort Paderborn, hat mit Prof. Koch und Prof. Dr. Wilhelm Tolksdorf, Professor für Pastoraltheologie, Gemeindekatechese und Theologie der Verkündigung im Fachbereich Theologie am Paderborner Standort der katho, anlässlich der Neuerscheinung ein Interview geführt:
Jung: Wie kommt es zu dieser Veröffentlichung? Was hat das IbiP mit Fragen einer unternehmerischen Leitkultur zu tun?
Koch: Eigentlich waren es zwei Anlässe. In den deutschen (Erz-)Bistümern gibt es viele Veränderungen. Großpfarreien entstehen, neue Seelsorgekonzepte werden entwickelt. Dabei fällt der Blick natürlich auch auf kirchliche Einrichtungen außerhalb der klassischen Pfarrei: Krankenhäuser, Einrichtungen der Caritas, Schulen, Seniorenwohnheime, Bildungszentren. Orte, an denen Verkündigung ganz konkret gelebt wird, oder wie wir im IbiP formulieren: Wo sich Existenz und Evangelium treffen. Und in diesem Zusammenhang ist es eben auch sehr wichtig, danach zu fragen, wie Management und Notwendigkeiten der Ökonomie mit dem Anspruch der christlichen Botschaft in Einklang kommen. Es geht also um eine gelingende Betriebskultur. Dazu kam dann die ganz konkrete Anfrage der Katholischen Jugendagentur (KJA) Leverkusen – Rheinberg –Oberberg gGmbH, die eigene Unternehmenskultur im Licht biblischer Texte auf den Prüfstand zu stellen.
Jung: Worum geht es in den einzelnen Beiträgen?
Koch: Der Band ist auf zwei Teile angelegt. Im ersten Teil finden sich grundlegende Überlegungen aus theologischer Perspektive zu Fragen unternehmerischer Leitkultur. Im zweiten Teil geht es dann ganz konkret um das Leverkusener Projekt. Es werden der Zugang und die Weise der Bibelarbeit vorgestellt, das leitende Projektdesign wird präsentiert, aber es werden auch die Prozesse beschrieben, die dadurch in Gang kamen. Schließlich gibt es Einblicke in die Evaluation des Projektverlaufes und in die Perspektiven der Etablierung einer biblischen Orientierung im Unternehmen.
Jung: Ein spannendes Themenfeld. Begleitet das IbiP aktuell noch andere Unternehmen?
Tolksdorf: Aktuell arbeitet Prof. Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld an einem großangelegten und auch katho-intern vernetzten Forschungsprojekt, das einen ähnlichen Themenkomplex aufgreift. Es geht dabei um die Kooperation von Krankenhäusern und Gemeinden, allgemein von Caritas und Pastoral mit vielen weiteren Sorge-Akteuren beispielweise in der Situation des Übergangs von einem Krankenhausaufenthalt nach Hause. „Versorgungsbrücken statt Versorgungslücken“ ist der signifikante Titel. Ein breit angelegtes Fachkolloquium am 5. und 6. November wird Einblick in den Verlauf des Projekts bieten.
Jung: Und was bedeutet eine biblische Orientierung für die Arbeit von kirchlichen Gruppen und Gremien?
Koch: Wichtig ist uns, dass biblische Orientierung nicht vorschnell auf der Ebenen von Handlungsoptionen und Strukturen, den sogenannten Artefakten, agiert. Vielmehr geht es zunächst um Grundhaltungen in der Begegnung mit Menschen, die kirchliche Einrichtungen in Anspruch nehmen; oder auch um die Frage des Miteinanders im Team. Es geht auch um die Frage nach qualitativer Führung oder Konfliktmanagement. Biblische Texte können da wie ein Spiegel sein, der überhaupt erst eigene Haltungen wahrnehmbar und bewusst macht. Darüber hinaus verpflichten biblische Texte eindeutig zur Option für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Und sie sprechen von der Verheißung einer neuen Gerechtigkeit. Es geht also auch um eine Perspektive der Hoffnung, die Mut macht, manchmal auch unkonventionelle Entscheidungen zu treffen.
Jung: Ziemlich direkt gefragt und vor dem Hintergrund Ihrer Arbeit im Institut und Ihrer Forschungsergebnisse: Die Kirchen sind leer geworden in unserem Lande, die Konfessionen haben an Relevanz und öffentlicher Glaubwürdigkeit heftig eingebüßt. Hat das Christentum in der gegenwärtigen Gesellschaft überhaupt noch eine nennenswerte Zukunft?
Tolksdorf: Natürlich ist es momentan ziemlich schwierig um Kirche und Glauben bestellt. Aber wir im IbiP sind da trotz allem sehr zuversichtlich. Denn wo sich die Kirche auf ihre biblischen Ursprünge besinnt, ist Erneuerung möglich. Insofern bin ich da wirklich optimistisch. Ich gehe davon aus, dass das Christentum auf jeden Fall eine Zukunft hat – an seiner konfessionellen Verfasstheit wird sich aber noch einiges verändern.
Jung: Und wo sehen Sie da das IbiP?
Koch: Genau da, wo es darum geht, die Kraft und die Inspiration des Anfangs zu erinnern.
Christiane Koch/Hans Hobelsberger/ Thomas Droege (Hg.): Mehr als Leitbilder. Ansprüche an eine christliche Unternehmenskultur. Herder: Freiburg-Basel-Wien 2021 (= Kirchen in Zeiten der Veränderung; 8).