Neuerscheinung: „Spiritualität und Selbstsorge: Zeit für das, was trägt“
In Ihrem neuen Buch schreiben Sie, dass Spiritualität und Selbstsorge gerade für Professionelle in Sozial- und Gesundheitsberufen wichtig sind. Warum?
Johannes Jungbauer: Studien zeigen, dass Angehörige helfender und sozialer Berufe im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ein deutlich erhöhtes Burnout-Risiko tragen. Umso wichtiger ist es für sie zu lernen, die eigenen Bedürfnisse und Belastungsgrenzen achtsam wahrzunehmen und gut für sich selbst zu sorgen. Selbstsorge und Achtsamkeit sind Teil einer inneren Haltung, die, so lautet eine These unseres Buchs, immer auch Wachheit im spirituellen Sinne ist.
Was genau verstehen Sie unter Spiritualität?
Rainer Krockauer: Spiritualität ist, im allgemeinen Sinne, das, was uns trägt und hält, was unser Leben mit Geist und Sinn erfüllt, was uns im Innersten ausmacht, woran wir glauben. Sie ist gewissermaßen eine anthropologische Grundkonstante und kann religionsgebunden oder auch religionsungebunden sein. Sie gibt es als christliche oder muslimische, aber eben auch als humanistische Spiritualität. Sie gehört, könnte man bildlich sagen, zum Menschen, wie das Wasser zum Fisch.
Warum ist das gerade in der heutigen Zeit wichtig?
Krockauer: In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen empfinden viele Menschen Angst vor der Zukunft, Unsicherheit über ihre Lebensumstände und Sorgen um ihre Sicherheit. Oft denken sie verstärkt über ihre persönlichen Lebensziele und Werte nach und suchen nach Sinn und Orientierung. Spirituelle Selbstsorge kann vor diesem Hintergrund wichtig sein. Sie bedeutet: Ich kümmere mich als Mensch um meine eigene Spiritualität, ich gehe rücksichtsvoll und achtsam mit dem um, was mein inneres Leben ist und für mich Quelle von Hoffnung, Zuversicht und Lebensfreude, ja erfülltem Leben ist. Spiritualität kann, so verstanden, wie ein Anker in unruhigen Zeiten sein.
Und welche Bedeutung hat Achtsamkeit in diesem Kontext?
Jungbauer: Achtsamkeit ist eine innere Haltung – unserer Umwelt, unseren Mitmenschen und auch uns selbst gegenüber. Im beruflichen Kontext bedeutet dies z. B., dass wir unseren Klientinnen und Patienten maximal präsent, respektvoll und empathisch begegnen. Zugleich impliziert sie einen freundlichen Umgang mit sich selbst, indem wir uns z. B. bewusst die Zeit für Erholung und Entspannung, Meditation, Gebet und achtsames Genießen gönnen. Im Kern geht es darum, innezuhalten, sich zu sammeln, den Alltag zu entschleunigen und sich dem allgegenwärtigen Effizienzdenken zu entziehen.
Welche Themenbereiche werden in dem Buch dargestellt?
Jungbauer: Wir haben Autorinnen und Autoren aus ganz unterschiedlichen Disziplinen gebeten, ein Kapitel beizusteuern – zum Beispiel aus der Soziologie, der Psychologie, der Theologie und Philosophie, der Literaturwissenschaft und der Sozialen Arbeit. So gibt es Kapitel zur Bedeutung von Spiritualität in der Beratung und Therapie, zu spirituellen Kraftquellen im Alltag oder zu den aktuell sehr beliebten Meditations-Apps. Auch Bezüge zu Literatur und Kunst werden hergestellt. Ich persönlich finde gerade diese bunte Mischung besonders reizvoll.
Wen wünschen Sie sich als Leser oder Leserin für Ihr Buch?
Krockauer: Ich denke, Spiritualität, Selbstsorge oder Achtsamkeit sind insbesondere für professionell Helfende in Sozial- und Gesundheitsberufen wichtige Themen, aber darüber hinaus für alle beruflich und ehrenamtlich Engagierten von Interesse. Unser Band ist grundsätzlich auf eine breite Leserschaft ausgerichtet. Aber ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Bezugsfeldern von Sozialer Arbeit, Pflege, Therapie, Beratung oder Sozialmanagement. Besonders aus diesen wünschen wir uns viele Leserinnen und Leser.
Der Band ist in der Schriftenreihe der katho erschienen und wurde von der Hochschule gefördert. Nach 24 Monaten – gefördert vom Open-Access-Fonds der katho – wird der Band auch Open Access verfügbar sein.
Band als E-Book abrufbarDie Hochschulbibliothek hat das E-Book für katho-Angehörige lizenziert: https://elibrary.utb.de/doi/10.3224/9783847409014 (bitte im katho-Netz oder über VPN aufrufen)