Abschlussveranstaltung des Transferprojekts "Versorgungsbrücken statt Versorgungslücken"
Der Einladung der Projektverantwortlichen zu einem gemeinsamen Abschluss am 28.11.22 folgten etwa 40 Akteur_innen aus verschiedenen Feldern der Versorgung älterer und alter Menschen. Der Fokus lag dabei auf der Sorge um unterstützungsbedürftige Menschen und der Frage, wie diese gemeinschaftlich (noch) besser gelingen kann.
Auf die Begrüßung und einführende Rückschau durch den Projektleiter am Standort Paderborn, Prof. Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld, folgten Statements auch der übrigen Mitglieder der Projektsteuerungsgruppe und Resonanzen aus dem Plenum.
Es braucht Transfer zwischen Praxis und Wissenschaft
Christoph Robrecht, Regionalleiter und Hausoberer der Barmherzige Brüder Trier gGmbH für das Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und das Marsberger St.-Marien-Hospital, zeichnete zunächst nach, warum es überhaupt “Versorgungsbrücken“ brauche. Hierbei wurde deutlich, wie sehr u. a. restriktive Datenschutzvorgaben, der Fachkräftemangel in Pflege und Pastoral sowie auch der gesamtgesellschaftlich wahrnehmbare Wandel familiärer Strukturen negativen Einfluss auf die Qualität der Begleitung und Betreuung von Care-Receivern nehmen können.
Umso bedeutsamer seien Transfer und Vernetzung zwischen Versorgungsträgern einerseits und zwischen Praxis und Wissenschaft andererseits, um Überlastungen einzelner Beteiligter sowie ganzer Disziplinen und Institutionen entgegenzuwirken und gemeinsam dauerhaft ein wirklich ganzheitlich, d. h. nicht zuletzt auch auf spirituell-seelsorgliche Bedürfnisse fokussiertes Care-Angebot gewährleisten zu können.
Vernetzung: Herausforderung, vor allem aber Gewinn
Vernetzung war auch das Stichwort des folgenden Beitrags von Marion Riese, Transferreferentin im Pilotprojekt am Standort Paderborn, bei dem der Schwerpunkt auf der Bewegung von einer versäulten hin zu einer vernetzten und (sich) vernetzenden Sorgekultur lag. Aufbauend auf den Erfahrungen des Pilotprojekts wurde betont, wie wichtig und zugleich schwierig es teils sei, den Beteiligungsgrad Betroffener an der Initiierung und Entwicklung von Netzwerkstrukturen und -aktivitäten zu erhöhen bzw. dem Anspruch, nicht für, sondern mit Dialog- und Kooperationspartner_innen zu sprechen und zu entscheiden, gerecht zu werden. Für eine gut funktionierende, gleichberechtigte Netzwerkarbeit brauche es Engagement, Vertrauen und Zeit; letztlich sei der “Faktor Mensch“ entscheidend, sich im und für den Austausch einzusetzen – zum Wohle der Mitmenschen und Gesellschaft.
Hier warben Veranstaltungsteilnehmende in der sich anschließenden Diskussion u. a. für disziplin-, sektoren- und konfessionsübergreifendes Agieren, das Nutzen der Potenziale bereits vorhandener Angebote und Strukturen sowie eine professionelle Begleitung ehrenamtlich Engagierter zum Schutz vor überfrachteten Erwartungen und Anforderungen an ihre Tätigkeiten.
Modell “Seelsorgliche Begleitung“ als mögliche “Versorgungsbrücke“
Ralf Nolte, Referent in der Personal- und Organisationsentwicklung beim Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e. V. sowie Referent für Caritaspastoral und Diözesanbeauftragter für die Seelsorge in Einrichtungen der stationären Hilfe im Erzbistum Paderborn, stellte anschließend das Modell “Seelsorgliche Begleitung“ vor. Demnach seien im hiesigen Erzbistum bereits 130 Mitarbeitende in stationären Einrichtungen entsprechend qualifiziert und beauftragt worden. Eine Ausweitung des Modells auch auf teilstationäre und ambulante Bereiche befinde sich in Anbahnung. Daneben hätten weitere (Erz-)Diözesen es bereits übernommen bzw. befänden sich in entsprechenden Entwicklungsprozessen. “In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche“ – mit diesem Zitat der Positionierung der deutschen Bischöfe zum Selbstverständnis kirchlicher Seelsorge betonte Ralf Nolte die Chance, Caritas und Kirche (auch) über Angebote seelsorglicher Begleitung zum starken Partner für Menschen mit Versorgungsbedarf und deren Zugehörige werden zu lassen.
Rückmeldungen aus dem Plenum merkten insbesondere die Vorbildfunktion des Modells und dessen positive Wirkung an. So ergebe sich dadurch nicht nur ein Mehrwert erster Ordnung für diejenigen, die davon unmittelbar profitierten, sondern auch indirekt die Chance, “Kirche wieder ein anderes Gesicht zu geben“.
Diakonische Pastoral als Grundtenor im sozialen Bereich
Diakonisch inspirierte Projektarbeit fokussierte Matthias Hartl, Wissenschaftliche Hilfskraft im Transferprojekt, in seinem Statement. Brennendes Interesse an den Menschen, deren Befindlichkeit und Bedürfnissen sowie an der Beantwortung der Frage nach deren Erfüllung seien wichtige Voraussetzungen für gelingende Sorgearbeit. Es sei zentral, den jeweiligen Protagonist_innen offen und wertfrei auf Augenhöhe zu begegnen. Dies könne den Fokus auf das Wesentliche – den Menschen, dessen Bedarfe und die Entwicklung adäquater Angebote – lenken und so eine Art Qualitätsmerkmal der gemeinsamen Sorge-Beziehung markieren.
Geteilt wurden diese Ausführungen von Plenumsteilnehmenden, die diese u. a. als “Schlüssel“ für einen Perspektivwechsel hin zu mehr Empowerment und “das Gefühl, gut versorgt zu sein“ bezeichneten.
Sorge-Kompetenzen fördern
Als letzter aus der Projektsteuerungsgruppe hatte noch einmal Prof. Dr. Ulrich Feeser-Lichterfeld das Wort, um Impulse zur multidimensionalen und multiprofessionellen Förderung der Sorge-Kompetenzen zu setzen. Hierbei bezog er sich explizit auf das vielfältige Studienangebot der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho), an denen das Pilotprojekt angesiedelt war. So sei Transfer keine Einbahnstraße, bei der es einzig gelte, Hochschulwissen in die Gesellschaft hinauszutragen. Vielmehr seien Erfahrungen und Expertisen aus der Praxis stets Innovationsmotor und Inspiration gewesen, die auch die Hochschule verändert hätten. Sorge-Kompetenzen, v. a. verstanden als Ermöglichung von Empowerment, sozialräumlich orientiertes (Inter-)Agieren und Förderung von Partizipation, gelte es in jedem Studiengang zu fördern, um die Sorgen von Menschen sehen, bearbeiten, beantworten und – vielleicht – lösen zu können.
Neben viel Zuspruch erfuhr das Gesagte aus dem Plenum auch Ergänzungen um die Frage nach potenziellen Verantwortungsträger_innen im Sozialraum, dem Bedarf an einem partnerschaftlichem Miteinander professionell wie nicht-professionell Tätiger sowie an entsprechenden Strukturen vor Ort, um Verantwortung auf viele Schultern verteilen zu können.
Hochschulperspektive in das System
Zum Schluss der Veranstaltung hatte der Kanzler der katho und Geschäftsführer der Trägergesellschaft, Bernward Robrecht, das Wort. Dabei skizzierte er insbesondere den Bedarf, nachhaltig Transferstrukturen und -leistungen im Hochschulsystem zu integrieren. Ein wichtiger Schritt für die katho sei es, die Agentur für Transfer und Innovation dauerhaft zu erhalten sowie das Bemühen um Fortführung bzw. Verstetigung angestoßener Transferprojekte. Um dies dauerhaft zu gewährleisten, brauche es jedoch Planungssicherheit und Ressourcenkontinuität. Nur so könnten, so Bernward Robrecht, Hochschulen auch ihrem Kernauftrag gerecht werden, Gesellschaft zu gestalten.
Mit dieser Veranstaltung und großer Dankbarkeit für die zahllosen Begegnungen und vielfältigen Initiativen der letzten vier Jahre verabschiedet sich das Team des Pilotprojekts “Versorgungsbrücken statt Versorgungsbrücken“ am Standort Paderborn aus der gemeinsamen Projektarbeit. Weitere Informationen zum Transferprojekt inklusive einer umfangreichen, abrufbaren Projektdokumentation finden sich unter www.versorgungsbruecken.de.