CARS veröffentlicht Working Paper von Jan Gerber zu Slánský-Prozess und stalinistischem Antisemitismus
Der englischsprachige Artikel wirft anhand der Biographien der kommunistischen Schriftsteller Louis Fürnberg und F. C. (Franz Carl) Weiskopf einen neuen Blick auf den Slánský-Prozess 1952 in Prag. Fürnberg und Weiskopf stammten wie die meisten Angeklagten des Prozesses aus jüdischen Familien und gehörten der deutsch-jüdischen Minderheit in der Tschechoslowakei an. Aus Angst vor weiterer Verfolgung siedelten sie nach dem Prozess in die DDR über, wo sie bis zu ihrem frühen Tod das dortige literarische Leben mit aufbauten.
Der Artikel hebt hervor, dass der Slánský-Prozess bisher vor allem vor dem Hintergrund der Stalinisierung der Tschechoslowakei und des Kalten Krieges interpretiert worden ist. Die Biographien von Fürnberg und Weiskopf legen jedoch eine differenziertere Interpretation nahe. So war der Slánský-Prozess nicht nur eine Folge des Kalten Krieges, der Spaltung zwischen Tito und Stalin oder der sowjetischen Neuausrichtung im Nahen Osten, sondern auch eine Fortsetzung der ethnischen Konflikte der Zwischenkriegszeit. Gleichzeitig wurde im Kontext des Prozesses der traditionelle „alte“ Antisemitismus, der nun durch den Holocaust diskreditiert war, in einen neuen Antisemitismus nach 1945 umgewandet - in Antizionismus.
DER AUTOR
Prof. Dr. Jan Gerber ist Leiter der Forschungsabteilung „Politik“ am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow (Dubnow-Institut) in Leipzig. Seine Monographie zum Slánský-Prozess (Ein Prozess in Prag. Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen) ist 2017 in zweiter Auflage erschienen. Neueste Veröffentlichungen sind: Nationalsozialismus und Kolonialismus: Der Barbie-Prozess als Schauplatz konkurrierender Erinnerungen, in: Ivo Ritzer (Hrsg.), Zur Kritik der Identität, Stuttgart: Metzler 2024; W.E.B. Du Bois und der Aufstand im Warschauer Getto. Eine Urszene „multidirektionaler Erinnerung“?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 72 (2024); Geschichtsoptimismus und Katastrophenbewusstsein. Europa nach dem Holocaust, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2022 (hrsg. zusammen mit Philipp Graf und Anna Pollmann); Das letzte Gefecht. Die Linke im Kalten Krieg, 3., erweiterte Auflage, Berlin: XS-Verlag 2022.