Coping with Corona: Wie geht es geflüchteten Menschen in der Pandemie?
Im Rahmen eines studienintegrierten Forschungsprojekts im Masterstudiengang „Klinisch-therapeutische Soziale Arbeit“ haben die Studierenden Abdiyu Ashebo und Khojesta Arjumand eine Online-Studie mit dem Titel „Coping with Corona“ durchgeführt. In der Studie wurden geflüchtete Menschen zu Ihren Erfahrungen in der Covid-19-Pandemie befragt. Begleitet wurde die Studie durch Prof. Dr. Johannes Jungbauer. Die Ergebnisse der Studie werden in Kürze in der Fachzeitschrift „Klinische Sozialarbeit“ veröffentlicht. Im Folgenden beantwortet das Forschungsteam einige Fragen zu der Studie.
katho: Wie ist die Idee zu Ihrer Studie entstanden, und was war das Ziel?
Abdiyu Ashebo: Geflüchtete Menschen gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten durch Corona betroffen sind. Durch die die aktuellen Einschränkungen von Kontakten und Aktivitäten werden psychische Belastungen von Geflüchteten, die oft schwerste Gewalt erlebt haben, noch verstärkt. Verbundenheit mit anderen Menschen, Selbstwirksamkeit, sportliche Aktivitäten, Zugang zu Information und Unterstützung - das alles können sie seit einiger Zeit nur sehr eingeschränkt nutzen. Deswegen wollten wir die psychische Gesundheit und die Bewältigungsstrategien geflüchteter Erwachsener unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie genauer zu untersuchen.
katho: Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Khojesta Arjumand: Wir haben die Studie mit einem Online-Fragebogen durchgeführt. Dabei wurden Fragen zu eigenen Coping-Ressourcen gestellt, ergänzt durch Fragen zur Corona-Pandemie, Diskriminierung sowie psychosozialen Versorgung während des Lockdowns. Es nahmen 51 geflüchtete Menschen aus sieben verschiedenen Herkunftsländern teil, die aktuell in Deutschland leben, überwiegend in NRW.
katho: War es nicht sehr schwierig für die geflüchteten Menschen, diesen Online-Fragebogen auszufüllen?
Khojesta Arjumand: Um die Teilnahme zu erleichtern, wurde der Fragebogen an die Lebenswelt der Befragten angepasst und in mehrere Sprachen übersetzt: Englisch, Arabisch, Amharisch, Tigrigna und Dari. Der persönliche Hintergrund von Abdiyu Ashebo und mir (Mehrsprachigkeit, Sensibilität für Rassismus, Diskriminierung und Migration) waren dabei natürlich sehr hilfreich.
katho: Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie?
Abdiyu Ashebo: 61% der geflüchteten Menschen gaben an, sich stärker psychisch belastet zu fühlen als vor der Corona-Pandemie. Fast die Hälfte der Befragten stimmte ferner der Aussage zu, dass sie in Deutschland bereits Diskriminierung erfahren haben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die psychische Belastung geflüchteten Menschen statistisch signifikant mit erlebter Diskriminierung zusammenhängt: Je häufiger die Befragten entsprechende Erfahrungen gemacht hatten, desto stärker fühlten sie sich durch die Corona-Pandemie belastet.
Johannes Jungbauer: Für mich als wissenschaftlichem Betreuer war es besonders interessant zu sehen, dass die geflüchteten Menschen nicht so sehr Angst davor haben, an Corona zu erkranken, sondern vielmehr davor, durch die aktuellen Maßnahmen noch stärker marginalisiert zu werden als ohnehin schon. Diese Befürchtung ist sicher nicht unbegründet.
katho: Was sind die praktischen Implikationen Ihrer Studie? Was können Sie in Ihrer Arbeit mit Flüchtlingen besser machen?
Abdiyu Ashebo: Meines Erachtens zeigt die Studie vor allem, dass in der Arbeit mit geflüchteten Menschen neben erlittenen Menschenrechtsverletzungen und Traumatisierungen auch aktuelle Diskriminierungserfahrungen und exkludierende Strukturen in den Blick genommen werden. Gerade in Zeiten der Pandemie, in der sich soziale Ungleichheiten verschärfen, sollte die Klinische Sozialarbeit mehr denn je als Menschenrechtsprofession agieren und die psychische Gesundheit als Grundrecht aller Menschen einfordern.
Kontakt: abdiyu.ashebo(at)mail.katho-nrw.de