Einblicke in andere Religionen: Interreligiöse Berlin-Exkursion 2024
Innerhalb von 3,5 Tagen wurden acht bemerkenswerte Begegnungen verschiedenster religiöser Gemeinschaften und Institutionen realisiert.
Im Sufi-Zentrum
Die Exkursion begann mit einem persönlichen Empfang durch Hajji Emre im Sufi Zentrum Rabbaniyya, bekannt für seine Friedensinitiativen und den interreligiösen Dialog. Umgeben von orientalischen Teppichen, Sitzkissen, Rosen und Kerzen, wurden Gespräche über die muslimisch-mystische Tradition des Sufismus bei frisch serviertem Schwarztee geführt. Die Schüler_innen des Sufiordens waren stets aufmerksam, damit es uns Gästen an nichts fehlt. Die Erfahrung der Gastfreundschaft, einschließlich der orientalischen Linsensuppe und der symbolischen Geste des Salzleckens zur Erinnerung an das Paradies, wurde durch das Beobachten eines Derwischs bei seinem rituellen Drehen und dem Gesang und Trommeln der Sufist_innen vertieft.
Ein unerwartetes Treffen mit einem Lebenskünstler / Hippie / Aussteiger bei einem Glas Berliner Weiße am Abend ermöglichte einen Austausch über Hoffnung, die Entwicklung der Menschheit und zahlreiche Parallelen zum christlichen Glauben und seiner ganz eigenen Theorie über Leben und Sinnhaftigkeit: Glaube mal ganz anders.
Neue Synagoge und Katholisches Büro
Am nächsten Morgen stand die Besichtigung der Neuen (alten) Synagoge auf dem Programm. Ein Ort, der fast vollständig zerstört wurde und heute nur noch wenige Elemente des Originalbaus aufweist. In einem klein anmutenden Gebetsraum, der für die heutige Gemeinde ausreicht, konnten wir Fragen zum Judentum der Vergangenheit und Gegenwart klären.
Im Katholischen Büro trafen wir auf Frau Malin Mahner, eine von sechs Jurist_innen, die sich mit Themen wie Strafrecht, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz aus katholischer Perspektive auseinandersetzt.
Eine Moschee in Neukölln
Weiter ging es zu einer Moschee nach Neukölln. Wegen einer unerwarteten Trauerfeier, die sich über mehrere Stunden, gar Tage erstreckte, war der Gebetsraum, ausgelegt mit rotem Teppich, vollständig von Männern besetzt. Diese unvorhergesehene Situation führte uns in einen Nebenraum, der üblicherweise für Bildungsangebote der Gemeindemitglieder und Kinder genutzt wird. In diesem Rahmen widmeten sich der Imam und eine im Projektmanagement tätige Muslimin ausgiebig unserem Anliegen, Vorurteile gegenüber dem Islam zu adressieren und eine klare Abgrenzung zu radikalen Strömungen zu ziehen. Während unserer Diskussion lud der zweite Imam zum Abendgebet ein, doch der Weg durch die Menge der anwesenden Männer zum hinteren Teil des Raums war uns versperrt. Stattdessen wurden wir Frauen über Außentreppen im Hinterhof durch weitere Gruppenräume geführt, bis wir schließlich die Frauenempore erreichten. Hier störte es keine Frau, dass wir einfach nur als Beobachterinnen dem Gebet beiwohnten, während sie selbst das Gebet neben uns auf dem Boden vollzogen und Kinder mit Süßigkeiten fangen spielten. Trotz der besonderen Umstände war die Moschee an einem gewöhnlichen Wochentag bis zum letzten Platz auf dem Teppich gefüllt.
Forum der Religionen und Evangelische Zentralstelle
Am darauffolgenden Morgen stand ein Treffen mit dem Forum der Religionen auf dem Programm, einer Plattform, die das friedensfördernde Potenzial verschiedener Glaubensrichtungen nutzt, um sich für gesellschaftliches Engagement, Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Bei dieser Zusammenkunft bot sich uns die seltene Gelegenheit, mit einem zum Buddhismus konvertierten Europäer, einem Bahai-Gläubigen und einer Frau, die sich tief mit der naturverbundenen Spiritualität der indigenen Bevölkerung Amerikas verbunden fühlt, ins Gespräch zu kommen. Zudem bereicherte die Referentin für Religionsunterricht die Diskussion mit ihren Einblicken in die Herausforderungen und Möglichkeiten einer zunehmend säkularen und vielfältigen Gesellschaft.
In der Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, eine „wissenschaftliche Studien-, Dokumentations-, Auskunfts- und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland für die religiösen und weltanschaulichen Strömungen der Gegenwart“, kamen wir in das Gespräch über die Entwicklung radikaler Christ_innen und christlichen Influencer_innen und der damit verbundenen Gefahr für junge Leute.
Hindutempel und Buddhistisches Tor
Der Besuch im Sri Ganesha Hindutempel bot einen faszinierenden Kontrast zu unseren bisherigen Erfahrungen. In einer ehemaligen Turnhalle, umfunktioniert mangels finanzieller Mittel für einen Neubau, empfingen uns ein Priester und sein Mitarbeiter. Viele Geschichten der lebhaft gekleideten Gottheiten, die für rituelle Waschungen in einer gefliesten Nische stehen, wurden uns erzählt. Die Luft erfüllt von den Aromen zahlreicher Räucherstäbchen, die angebotenen gerösteten Nüsse, die als Opfergaben dienten, vermittelte einen authentischen Eindruck hinduistischer Spiritualität. Obwohl es eine Herausforderung darstellte, die komplexen Verwandtschaftsverhältnisse der Gottheiten in kurzer Zeit zu verstehen, bot der Tempelbesuch einen wertvollen Einblick in die lebendige Praxis dieser Religion.
Abschließend fanden wir uns am nächsten Morgen im Buddhistischen Tor ein, einer Gemeinschaft, die sich aus Europäern zusammensetzt, die zum Buddhismus konvertiert sind. Dort erzählte uns Mokshasiddha, ein ehemaliger Protestant, von seinem spirituellen Pfad und seiner tiefen Verbundenheit mit dem Buddhismus, während wir beruhigenden Zitronengrastee genossen. Die Meditation des Herzens, die er anschließend leitete, ermöglichte uns eine Erfahrung des Loslassens, begleitet vom erhabenen Anblick einer großen goldenen Buddhastatue.
Diese vielfältigen Begegnungen ermöglichten einen ersten Einblick in andere religiöse Praktiken und Überzeugungen und reduzierten die Hemmschwelle für einen respektvollen und offenen Dialog zwischen den Glaubensrichtungen in der späteren Arbeit der Studierenden.