Festschrift zum katho-Jubiläum: Historiker_innen geben Einblick in ihre Forschungen zur Hochschulgeschichte
PD Dr. Stefan Gerber von der Universität Jena blickt bis ins 18. Jahrhundert zurück, als sich in Deutschland der Diskurs um eine katholische Universität erstmals entfaltete. Sie sollte ersetzen, was in der katholischen Bildung verlorengegangen war. Die Diskussion mündete schließlich in die Gründung der Fachhochschulen in den 1970-er Jahren – und in die Frage, was Wissenschaft unter katholischem Vorzeichen bedeutet: Kann ein_e Katholik_in freiheitlich forschen, ohne seine_ihre Arbeit unter die Lehre der Kirche zu stellen? Antwort wird Gerbers Aufsatz „Geschichte und Grundlagen der katholischen (Fach-) Hochschulentwicklung in Deutschland“ geben.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Restaurationsphase, stellt Prof. Dr. Matthias Stickler von der Universität Würzburg fest, in deren Folge die Fachhochschulen ihren Siegeszug als unumstrittener Teil der deutschen Bildungslandschaft feierten. Galt Bildung mit ihren Massenuniversitäten Ende des 19. Jahrhunderts noch als ein Privileg der gehobenen Mittelschicht, explodierten in den 1950er Jahren die Studierendenzahlen und Bildung wurde zum Bürgerrecht. Vor allem die Studentenproteste „der 68er“ besiegelten das Ende der alten Universität und deren verkrustete Organisationsstruktur der „Herrschaft der Ordinarien“. Der Staat füllte das Machtvakuum und gründete praxisnahe Fachhochschulen in ganz Deutschland.
Auch die Rolle der Frau veränderte sich in „den 68ern“ grundlegend, sagt Prof. Dr. Andreas Henkelmann von der katho am Standort Paderborn: Die Frau als Dienerin und Helferin des Priesters war nicht mehr zeitgemäß. Das Seelsorgehelferinnenseminar, das in Münster angesiedelt war, wurde damit zum Auslaufmodell. Die Nachfrage ließ immer mehr nach und das Seminar wurde 1971 schließlich aufgelöst. Gefragt waren jetzt Gemeindereferent_innen, die seit der katho-Gründung im Fachbereich Theologie in Paderborn ausgebildet werden. Wieso Paderborn und nicht etwa Münster oder etwa Köln zum Sitz des Instituts für Religionspädagogik wurde und welche Rolle Kardinal Lorenz Jäger spielte, erklärt Henkelmanns Aufsatz zur „Entstehung des Fachbereichs Theologie aus der Perspektive seiner Vorgängereinrichtungen“.
Die Leitung einer staatlich refinanzierten Hochschule in kirchlicher Trägerschaft kommt der Quadratur eines Kreises gleich, meint Kanzler Bernward Robrecht. Trotz des herausragenden Vorteils, als konfessionelle Hochschule staatlich refinanziert zu sein, gibt es viele komplexe Überlagerungen: Die Gesellschafter bringen ihre und die Interessen ihrer Träger mit ein. Die Dezentralität sorgt nicht nur für Kreativität in der Hochschulgestaltung, sondern auch für Spannungen. Aus Sicht Robrechts ist die erfolgreiche und übergreifende Kooperation vom Kanzler als rechtlich verantwortlicher Vertreter des Dienstgebers (Geschäftsführer) und Leiter der Hochschulverwaltung (Kanzler) und vom Rektor als Hochschulmanager und Wissenschaftler das entscheidende Erfolgsrezept der katho: Diese Bipolarität hat sich bewährt und ist seit der Gründung ein Erfolgsgarant.
An das Rechtsthema knüpft Prof. Dr. Ansgar Hense von der Universität Bonn an. Er untersucht das „(Staats-) Kirchenrecht an den konfessionellen Hochschulen“. Aus seiner Sicht ist der Spagat zwischen den weltlichen Anforderungen mit den hochschulrechtlichen Standards und den kirchlichen Propria juristisch nicht immer einfach. Nur wenige Bereiche sind rechtlich so vorgegeben wie das kirchliche Hochschulrecht. Besonders wichtig sei es hier, die Wahlfreiheit aller Studierenden zu ermöglichen, denn diese betrifft auch die staatliche Gewährleistung und Fragen der Refinanzierung.
Für Prof. Dr. Nicole Priesching von der Universität Paderborn heißt Hochschulgeschichte zu schreiben auch immer Frauengeschichte zu schreiben. In ihrem Beitrag „Die Katholische Hochschule NRW als Ort der Akademisierung und Professionalisierung von Frauen“ untersucht sie neue gesellschaftliche Räume von sozialer und politischer Relevanz, an denen sich Katholisch-Sein festmacht. Sie fragt, wie sich die Identität und die Professionalisierung von Frauen durch ihr Studium an der katho weiterentwickelt hat. Auch sollen Studierende dazu interviewt werden, wie sich ihr Eigenbild als Frau mit dem Frauenbild der katholischen Kirche deckt.
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Die Festschrift zum katho-Jubiläum wird im Rahmen der Feierlichkeiten in Mitte 2022 vorgestellt werden.
Ein Mitschnitt der Online-Veranstaltung zur katho-Geschichte steht den Hochschulmitgliedern im Campusportal zur Verfügung.
Neben den wissenschaftlichen Aufsätzen in der Festschrift werden in diesem Jubiläumsjahr Zeitzeug_innen und ehemalige Lehrende in „Kamingesprächen“ von ihren Erinnerungen an die Gründungszeit und die weitere Entwicklung der katho erzählen. Die Termine und weitere Informationen zu dieser Online-Gesprächsreihe werden noch bekannt gegeben.
Bei Fragen zur katho-Geschichte und Informationen zur Festschrift wenden Sie sich an Henning Wachter. Bei Fragen zum Jubiläum wenden Sie sich an Eva Tadday und Holger Walz.