Gemeinsam ins Tun kommen: katho-Studierende vertiefen Community Organizing in Aachen
Community Organizing: Stimmen bündeln, Veränderung gestalten
Das unter anderem von Saul Alinsky geprägte Konzept versteht Organizing als Prozess, in dem Menschen ihre gemeinsamen Anliegen identifizieren und durch kollektives Handeln und Organisationsaufbau wirksame Veränderungen herbeiführen. Im Kern geht es um den gezielten Aufbau von Handlungsfähigkeit – insbesondere dort, wo Lebenslagen von Benachteiligung geprägt sind. Community Organizing befähigt Menschen, sich für ihre Rechte und Interessen einzusetzen und langfristig Verantwortung für Verbesserungen im Gemeinwesen zu übernehmen bzw. auf den Weg zu bringen.
Theorie und Praxis eng verzahnt
Die zertifizierten Trainerinnen des Vereins „Forum Community Organizing“ (FOCO e.V.), Ute Fischer und Wencke Lüttich, gestalteten ein dreitägiges Blockseminar mit 20 Studierenden des dritten Semesters. Als zweiter Baustein der vierteiligen Qualifizierung schärfte das Training die Umsetzungskompetenz: In Rollenspielen wurden die Phasen eines Organizing-Prozesses anhand fiktiver Szenarien durchgespielt, One-to-One-Beziehungsgespräche eingeübt, Strategien reflektiert und Verhandlungen simuliert. Ziel der Dozentinnen ist es, dass zukünftige Sozialarbeiter_innen eine Haltung, ein sensibles Verständnis für unterschiedliche Lebenswelten entwickeln, den Blick für unentdeckte Ressourcen schärfen und die Fähigkeit erlangen, Menschen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden.
„In der Praxis ist es manchmal, als würde man einen Schatz heben“, beschreibt Ute Fischer die Erfahrung, verborgene Potenziale in Quartieren sichtbar zu machen. „Mit diesem Konzept können Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in die Stadtteile gehen, Menschen dabei unterstützen, ihre eigenen Interessen zu vertreten – und gemeinsam ins Tun zu kommen“, ergänzt Wencke Lüttich. Nachhaltigkeit ist dabei zentral: „Meine Motivation ist zu wissen: Die Gruppe bekommt immer mehr Handwerkszeug und wird zunehmend unabhängiger von mir oder Kolleg_innen“, so Fischer.
Lernen vor Ort: Besuch im Stadtteil Kullen
Wie Community Organizing in der Praxis funktioniert, erlebten die Studierenden im Aachener Stadtteil Kullen. Dort setzt die Caritas Aachen im Projekt „Mensch, Natur, Unser Viertel“ seit drei Jahren erfolgreich auf Community Organizing: Ausgehend von den Bedarfen der Anwohnerschaft wurden gemeinsame Anliegen identifiziert und Schritt für Schritt umgesetzt – vom neuen Spielplatz über regelmäßige Umweltbildungsangebote bis hin zu Stadtteilfesten für alle. Das Beispiel zeigt, wie aus Selbstorganisation konkrete Verbesserungen im Wohnumfeld entstehen.
Bürgerschaftliches Engagement als Antwort auf Herausforderungen
Angesichts gesellschaftlicher und politischer Spannungen, in denen sich viele Menschen als ohnmächtig erleben, wird die Erfahrung, selbst wirksam handeln zu können und damit Demokratie zu erleben immer bedeutsamer. Community Organizing ermöglicht diese Erfahrung, indem es Beteiligung strukturiert, Ressourcen aufbaut und kollektives Handeln strategisch anleitet.
Gemeinwesenarbeit an der katho stärken
Durch die Kooperation mit dem FOCO e.V. stärkt die katho ihre Praxisnähe in der Lehre und verankert Community Organizing als handlungsorientierten Ansatz der Sozialraumarbeit und Gemeinwesenentwicklung. „Leider wird Sozialraum- und Gemeinwesenorientierung an vielen Hochschulen immer weniger gelehrt, obwohl es von der Politik eigentlich immer mehr gefordert wird. Wir machen das an der katho daher anders und wollen einen größeren Schwerpunkt auf Community Organizing legen“, betont Professorin Martina Schäfer, selbst FOCO e.V.-Mitglied und Initiatorin der Kooperation. Die positive Resonanz der Studierenden zeigt: Professionelles Wissen, eine klare Haltung und methodische Sicherheit sind die Basis, damit aus guten Absichten wirksames gemeinsames Handeln wird.