„Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in der Gesellschaft: Vortrag von Rechtsextremismusforscher Wilhelm Heitmeyer
Zur Begrüßung stellte Prof. Dr. Martin Spetsmann-Kunkel, Co-Leiter des CARS, Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer und seine jahrzehntelange Arbeit zu Menschenfeindlichkeit und Gewalt vor. Mit Blick auf aktuelle Ereignisse wie die Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, auf die konstanten, in Teilen steigenden Umfragewerte bei menschenfeindlichen Einstellungen oder auf strukturellen und institutionellen Rassismus beispielsweise bei der Polizei wies er auf die Aktualität und Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit diesem Thema hin. Anschließend stellte sich die Initiative Aachener Mutbürger*innen gegen rechts kurz vor.
In seinem Vortrag machte Wilhelm Heitmeyer deutlich, dass es ihm weniger um rechte Gruppierungen, Parteien oder Einzelpersonen gehe, sondern vielmehr um eine gesellschaftliche Entwicklung, die dazu führt, dass sich rechte Allianzen zwischen diesen Gruppierungen bilden. Mit dem von Heitmeyer bereits 2012 entworfenen „konzentrischen Eskalationsmodell“ zeigte er, in Bezug auf die nach rechten Terroranschlägen häufig diskutierte Einzeltäterthese, wie der Zusammenhang zwischen rechten Gruppierungen bzw. Einzeltätern und in der Bevölkerung vorhandenen „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ ist. So gibt die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ laut Heitmeyer die Legitimationsgrundlage für die beim „konzentrischen Eskalationsmodell“, das wie eine Zwiebel aufgebaut ist, weiter innen liegenden Schichten. Unter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit werden u.a. Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus und Homophobie verstanden, die in der Studie „Deutsche Zustände“ über mehrere Jahre hinweg untersucht wurden.
In den letzten Jahren haben sich über diese Legitimation rechte Allianzen gebildet, die ein erschreckendes Potenzial haben und in unterschiedlichem Grad in gesellschaftliche und auch staatliche Institutionen eindringen, diese destabilisieren oder auch den Umsturz des Systems planen.
Nach Heitmeyer habe es eine Qualitätsveränderung in der Mobilisierungsfähigkeit, in der Brutalisierung von Sprache und Aktionen sowie in der Normalisierung dieser rechten Bedrohungsallianzen gegeben. Die Gründe dafür seien vor allem die immer stärker auftretenden Krisenerscheinungen, die dem_r Einzelnen ein Gefühl des Kontrollverlustes gäben. So gälte es angesichts der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs, sich der Normalisierung entgegenzustellen.
Die anschließende Diskussion drehte sich einerseits darum, wie es um den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die rechten Bedrohungsallianzen steht und wie man mit dem Erstarken dieser Allianzen umgehen kann. Andererseits ging es darum, inwiefern man sich normativ weiterhin auf die kapitalistische und liberale Gesellschaft berufen kann, wenn diese Krisenerscheinungen und Konflikte hervorbringt, die den rechten Bedrohungsallianzen zugutekommen.
Bericht: Leon Sondermann, Studentische Hilfskraft am CARS