‚katho divers‘- Vielfaltsforum: „Für uns ist Diversität ein Qualitätsmerkmal als Hochschule“
Vielfalt ist an der katho kein Feigenblatt. Das hob Barbara Schermaier-Stöckl, Rektorin und Projektleiterin von „katho divers“, in ihren Eröffnungsworten der Abschlussveranstaltung des Projekts hervor: „Die katho hat sich auf den Weg gemacht, Diversität partizipativ und zukunftsorientiert mit Leben zu füllen.“ Sie beschrieb, wie engagiert die aus allen Standorten und allen Fachbereichen kommende Projektgruppe nach der Förderungszusage durch die Hochschulrektorenkonferenz im April 2023 „katho divers“ vorantrieb: Innerhalb kürzester Zeit fand eine Auftaktveranstaltung am 23. Juni 2023 statt, auf der erste Workshops zu Diversität und Diskriminierung durchgeführt wurden. Ab Juli 2023 entwickelten Planungs-AGs an den Standorten verschiedene Formate, darunter die gewinnbringenden Hospitationen an anderen Hochschulen. Im Oktober 2023 folgten die Online-Basis-Workshops zu einzelnen Diversitätskategorien. Anfang Dezember 2023 kamen statusübergreifend Vertreter_innen der zentralen „katho divers“-Projektgruppe und der dezentralen Planungsgruppen mit der Leitungsebene der Hochschule und der Fachbereiche im Rahmen eines Strategieseminars zusammen, um gemeinsam Überlegungen in Richtung einer Diversitätsstrategie zu entwickeln. Im Januar und Februar 2024 waren die Studierenden, Lehrenden, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Verwaltungsmitarbeitenden gefragt: In einer hochschulweiten Befragung sollten sie beurteilen, wie es um die Vielfalt an der katho steht.
Studierendenschaft deutlich diverser als das Personal
Mit Spannung wurden im Rahmen des „Vielfaltsforums“ am 29. April 2024 die Umfrage-Ergebnisse erwartet, die Dr. Lina Vollmer und Juan Vivanco von der durchführenden Agentur „Citizens For Europe“ vorstellten. Sie berichteten, dass 777 Personen in die Auswertung einbezogen wurden – darunter 76 Prozent Studierende, 10 Prozent Verwaltungsmitarbeitende, gefolgt von Professor_innen, wissenschaftlichen Mitarbeitenden sowie Lehrkräften für besondere Aufgaben. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 13 Prozent – hier versprach man sich eine höhere Beteiligung.
Dennoch gaben die Antworten Aufschluss zum Diversitätsprofil hinsichtlich des Migrationshintergrunds und rassistischer Benachteiligung, der Lebenssituation und Religiosität der Befragten sowie zu Behinderung und Beeinträchtigung. Dabei kam heraus, dass die Studierendenschaft deutlich diverser ist als das Personal, Aachen dabei der diverseste und Köln der queerste Standort der katho ist. Insgesamt positionierte sich ein Drittel der befragten katho-Studierenden als queer. Mit 26 Prozent ist der Anteil queerer Menschen an der katho deutlich höher als der Gesamtbevölkerungsanteil mit 7 Prozent. Auch der Anteil queerer Studierender (31 %) liegt über dem Anteil der Studierenden in Deutschland (20 %).
Eine wichtige Erkenntnis gab es zu Diskriminierungserfahrungen: 16 Prozent der Befragten haben in den letzten drei Jahre Diskriminierung an der katho erfahren, zum Beispiel aufgrund ihres Geschlechts / ihrer Geschlechtsidentität (40 Prozent), ihrer ethnischen Herkunft (22 Prozent) und ihrer Behinderung (21 Prozent). Dabei suchten sich die Befragten selten innerhalb der katho Hilfe. Ein Grund dafür, dass Diskriminierungserfahrungen selten gemeldet werden, ist die Befürchtung, durch die Meldung ändere sich nichts – ein Ergebnis, dass auch in der anschließenden Podiumsdiskussion thematisiert wurde.
„Es gibt den Willen, Verbesserungen herbeizuführen“
Darin erzählte von Studierendenseite Nora Gablik, wie sich der Studierendenalltag am Standort Aachen für Menschen mit einer nicht sichtbaren Beeinträchtigung wie ADS gestaltet. So sei die hallende und volle Aula für Studierende mit ADS ein Grund, eine Vorlesung nicht zu besuchen. „Dennoch gibt es den Willen, Verbesserungen herbeizuführen“, sagte Gablik und nannte die Möglichkeit des Vorwahlrechts bei der Seminarvergabe, oder dass Vorlesungsfolien vorab verschickt werden, damit Beeinträchtigte diesen in der Veranstaltung besser folgen können.
Das bestätigte Prof.in Dr.in Sina Eghbalpour, die in Aachen Soziale Arbeit lehrt: „In unseren ‚Arbeitskreis Inklusion und Barrierefreiheit‘ kann man immer Themen einbringen.“ Als niedrigschwelliges Angebot bietet Eghbalpour den Studierenden zu Beginn ihrer Veranstaltungen an, mit ihren individuellen Bedarfen auf sie zuzukommen. Die lange Phase des Projekts „katho divers“ habe auch ein Bewusstsein geschaffen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: „Vielfalt muss sichtbar gemacht werden, denn über Sichtbarkeit entsteht Verständnis“, erklärte Eghbalpour.
Mara Römer von der Studierendenschaft am Standort Münster berichtete von der Queer-Community vor Ort, in der ein wertvoller Austausch mit anderen Münsteraner Hochschulen und Studierenden möglich ist: „Auch an der katho bemühen wir uns, Räume zu schaffen und miteinander umzugehen, damit Menschen sich sicherer fühlen.“ Dennoch sei es wichtig, dass die engagierten, queeren oder beeinträchtigten Menschen die Last der Sensibilisierung nicht allein trügen: „Viele Engagierte fühlen sich ausgelaugt“, berichtete Römer.
Kanzler: „Damit die Diversitätsstrategie kein Papier bleibt, sind langfristige Prozesse notwendig“
Kanzler Bernward Robrecht konnte die Unzufriedenheit darüber verstehen und zeigte sich dankbar für die Rückmeldungen: „Damit die Diversitätsstrategie kein Papier bleibt, sind langfristige Prozesse notwendig“, erklärte er. Als Geschäftsführer und Kanzler werde sich bei der Landesregierung weiter bemühen, die nötigen Mittel zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben wie Vielfalt an den Hochschulen zu erhalten, damit aus der Strategie konkrete Maßnahmen folgen können.
Dompropst Hans-Bernd Köppen, Vorsitzender des katho-Verwaltungsrats, machte darauf aufmerksam, dass ‚katholisch‘ übersetzt nichts anderes als ‚vielfältig‘ heiße. Als Merkmal der frühen Kirche konnten sich neue Gemeinden finden und in ihnen unterschiedliche Menschen wie Arme und Reiche, Sklaven und Freie zusammenfinden. Die Menschen seien einfach vielfältig, deshalb müsse das Profil der katho offen sein. Köppen: „Vielfalt darf nicht durch irgendeine Form von Diskriminierung gehindert werden.“
Notwendigkeit zum Marathon
Im Ausblick wies Prof.in Dr.in Annette Müller darauf hin, dass Veränderung viel Bereitschaft und Mut brauche. Deshalb sollen die Basis-Workshops fortgeführt bzw. wiederholt werden. Außerdem stehe am 10. Juni die Entscheidung für die Weiterarbeit an einer Diversitätsstrategie im Senat an. Die Erarbeitung eines Konzepts für ein Beratungs- und Beschwerdemanagement wird im Anschluss durch das „katho divers“-Leitungsteam erfolgen und soll in eine eigene AG überführt werden.
Prof.in Dr.in Marion Gerards ergänzte: „Morgen endet der Förderzeitraum für ‚katho divers‘, aber das Planungsteam möchte weiterarbeiten, denn es besteht die Notwendigkeit zu einem Marathon.“ Deshalb braucht der Prozess weiterhin Unterstützung von allen katho-Statusgruppen an allen vier Standorten. Der Termin für ein digitales Vernetzungstreffen zur Weiterarbeit steht bereits fest: am 24. Mai von 10 bis 12 Uhr. Müller: „Für uns ist es ein Qualitätsmerkmal als Hochschule, dieses Thema weiterzuentwickeln und ernst zu nehmen.“
Weitere Infos
Die ‚Initiative Vielfalt an deutschen Hochschulen‘ der HRK wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Das Projekt ist Teil der Initiative.
Kontakt
Saskia Steiner
Referentin der Rektorin / Stv. Dezernentin für Akademische Angelegenheiten
Köln, Dezernat VI - Akademische Angelegenheiten