Deutscher Suchtkongress 2024: „Dringend muss die Betroffenenperspektive mitgedacht werden“
Was sind die aus Ihrer Sicht wichtigsten Erkenntnisse des diesjährigen Deutschen Suchtkongresses?
Dass es unglaublicher gemeinsamer Anstrengung bedarf, um Jahrtausende alte „Kulturtechniken“ wie Stigmatisierung, Drogenkonsum und Profitgier erstens aufzuzeigen und zweitens entsprechend unserem Wissensstand zu begegnen – um nicht zu sagen: wirksam entgegenzutreten.
Die perfiden Strategien der Alkohol-, Nikotin- und Cannabisproduzenten, die durch passives Unterlassen gekennzeichnete a-soziale und anti-christliche Drogenpolitik und die menschlich nachvollziehbare, aber mit Nächstenliebe und Schwächstenhilfe schwer vereinbare Diskriminierung gegenüber sozial Benachteiligten Menschen wurde in vielen Beiträgen mehr als deutlich.
Cannabis-Abhängigkeit und fehlende Therapieplätze für Suchtkranke dominierten zumindest medial den diesjährigen Kongress. Hatten die Teilnehmenden Lösungen für diese Probleme parat?
Leider nein. Von den Befürworter_innen der Cannabislegalisierung waren auf dem diesjährigen Kongress viele erstaunlich unsichtbar. Und die Gegner_innen der Cannabislegalisierung sehen sich Politiker_innen und anderen Stakeholdern gegenüber, die aus Geltungssucht heraus nicht bereit sind, ihre Fehler zu korrigieren oder wenigstens einzugestehen. Da sind auch die in den Kinderschuhen steckenden Möglichkeiten der Digitalisierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Was muss Ihrer Meinung nach seitens der Politik getan werden, um die Suchthilfe in Deutschland zu verbessern?
Dringend muss die Betroffenenperspektive mitgedacht werden – und damit haben wir dieses Jahr beim Kongress ganz zaghaft angefangen. Und zwar die Perspektive der am schwersten Betroffenen. Ein gut situierter Durchschnittscannabiskonsument hat halt recht wenig mit einem durch bio-psycho-soziale Probleme – ich sag mal: Behinderung – Einsamkeit – Armut – betroffenen Menschen mit Cannabisabhängkeit zu tun.
Gleichzeitig wäre eine Regelfinanzierung nötig, die auch den interdisziplinären Austausch sowie die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte mitberücksichtigt – so wie sie auch in anderen Handlungsfeldern selbstverständlich ist.