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| Paderborn,

Projektwerkstatt des BA Soziale Arbeit Praxis+ gibt Einblick in Herausforderungen und Optionen sozialen Handelns

»Wohin treibt die Praxis? Was beschäftigt die Kolleg_innen in den Trägern und was die Adressat_innen?« - Diese Überlegungen veranlassten elf Studierende des Studienformats BA Soziale Arbeit Praxis+ in ihren Einrichtungen und sozialen Diensten zum Anfang des Jahres, eine PEST-Analyse durchzuführen und in einer Praxiswoche vor Ort in den Trägern mit ihren Anleitungen und Leitungskräften zu diskutieren. Das Akronym PEST steht für Political Economic Socio-Cultural and Technical Change und hat ihren Ursprung in der strategischen Unternehmensentwicklung.

Gruppenbild der Teilnehmenden im Park

In der engen Verbindung von Studium an der Hochschule und wöchentlicher Praxistätigkeit führten die Studierenden eine empirische Analyse der Entwicklung und der Herausforderungen des eigenen Arbeitsfeldes im Träger mittels eines qualitativen Expert_inneninterviews durch. Ziel des zweiten Studienabschnitts nun ist eine Bestandsaufnahme zwischen Person und Umfeldfaktoren. Im Diskurs sollen die Rahmenbedingungen für die professionelle Soziale Arbeit und die lokale sozialpolitische Einbindung des Arbeitsfeldes und der Träger beleuchtet werden, um im eigenen Erprobungs- und Erfahrungsraum ein Projekt Sozialer Innovation oder ein klient_innen-interaktives Projekt durchzuführen. Das Projektstudium selbst ist elementarer Standard im Fach Sozialer Arbeit. Es ermöglicht ein forschendes Lernen, Selbstpositionierung und Selbstreflexion unter Übungscharakter mit dem Blick auf typische Herausforderungen im künftigen Beruf. Im 2018 vom Verfasser dieses Beitrags am Standort Paderborn prototypisch für die katho entwickelten Studienmodell setzt es in einer weitgehend selbstgesteuerten Werkstattarbeit mit den Praxisträgern ein, in denen die Studierenden schnell zum Teil des örtlichen Kollegiums werden und zugleich systemisch gesehen Beobachter:innen zweiter Ordung seien können. Als erstem Schritt der Vorbereitung setzten sie sich mit der Methode der Zukunftswerkstatt nach Robert Jungk auseinander. Begleitet von der Koordinatorin des Studienmodells Katharina Tewes & dem Lerngruppenleiter Prof. Dr. Michael Böwer führten sie am 22. Mai 2023 eine Projektwerkstatt mit drei parallelen Workshops mit ihren Trägern durch.

Im ersten Workshop zum Thema „Buntes Wohnen – Wohnformen der Zukunft“ wurden, so berichten die durchführenden Studierenden, zwei zentrale Aspekte deutlich: „In integrierten Wohnprojekten für Menschen aller Altersformen steht auf der einen Seite das Bedürfnis nach menschlichen (sozialen) Kontakten und andererseits geht es die Möglichkeit einer Balance von Privatsphäre und Gemeinschaft. Als strukturelle Rahmenbedingungen wurden dabei Gemeinschaftsorte, Nutzgärten, kurze Wege sowie eine gute und günstige Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, Digitalisierung und gute technische Ausstattung sowie umfassende Barrierefreiheit genannt. Für eine erhöhte Akzeptanz und Nutzung zukünftiger Wohnprojekte sind (1) die Vielfältigkeit von Wohnformen, (2) eine ausgeweitete Möglichkeit von Probewohnen in Modellprojekten sowie (3) eine Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für integrative Wohnformen, die ein Umdenken der Öffentlichkeit noch weiter anstoßen kann, unabdingbar. Hierbei geht es unter anderem um die Verbreitung einer Sharing-Mentalität, die letztlich nicht nur der Gemeinschaft der Menschen, sondern auch dem Planeten und dem Klima zugutekommen würde.“ – so das Werkstattergebnis der Teilgruppe Praxisstudierende CWW Paderborn, Caritasverband Paderborn, Fachstelle Soziale Teilhabe Stadt Paderborn

Ein weiterer Workshop beschäftigte sich mit dem Thema „Stressbewältigung im Schichtdienst“. Hintergrund ist die eigene Erfahrung der Arbeit im Schichtdienst im SOS-Kinderdorf Lippe, im Mutter-Kind-Haus KIM Soziale Arbeit, in der Kinderintensivwohngruppe Haus Sterntaler von Let’s Go sowie der Noah Wohnstätte Lippstadt. „Im Workshop mit dann 9 Personen aus unterschiedlichen Einrichtungen sind wir schnell ins Gespräch und hinein ins Thema gekommen“ – so die Rückmeldung der Studierenden. „Wir konnten feststellen, dass unser Thema überall einen hohen Stellenwert hat, sowohl in Bezug auf das berufliche Umfeld und die Zusammenarbeit unter Mitarbeitenden, als auch auf die persönliche Ebene und das Wohlbefinden der eigenen Person bezogen. In der Kritikphase haben wir die hohe Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit über Messenger-Dienste notiert. Visionär schienen institutionelle Rahmenfaktoren wie Supervision und rechtliche Vorgaben, aber auch z.B. das kostenlose Abo im Fitnessstudio oder geleaste E-Bikes für Mitarbeitende, um die Gesundheit zu fördern. Auf der persönlichen Ebene stand Selbstfürsorge und Achtsamkeitstraining im Vordergrund. Unser Blick ging darauf, was in jeder Einrichtung umsetzbar wäre und was weniger möglich erscheint. So erscheint die an manchen Orten etablierte Mitarbeiter:innenfeier oder der Betriebsausflug aufgrund von Fachkraftmangel nicht in jeder Einrichtung umsetzbar zu sein und muss letztlich der Vision zugeordnet werden. Als wichtigstes Ziel erschien „Work-Life-Balance“, um Stress vorbeugen zu können. Deutlich wurde, dass beruflich und privaten Faktoren fest miteinander verbunden sind und nur ein ausgeglichenes Zusammenspiel eine Work-Life-Balance ermöglichen kann.“ – so die Praxisstudierenden im Fazit.

In den dritten, parallel angebotenen Workshop kamen die Praxisvertreter:innen und Praxisstudierenden mit dem Anliegen,  neue Lösungsansätze zum Thema "Der Umgang mit Zukunftsängsten von Jugendlichen" zu finden. Folgendes konnten die Studierenden als Verlaufsergebnis festhalten: „Ob in der Jugendhilfe, der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder in der Schulsozialarbeit - mit Jugendlichen haben und hatten wir alle schon zu tun. Mit sieben Teilnehmenden aus unterschiedlichsten Praxisfeldern starteten wir mit einer Vorstellungsrunde. Gleich bekamen wir wertvolle Erfahrungen erzählt, die wir dankend aufnahmen. In der Kritikphase wurde an den Jugendlichen selbst kaum etwas ausgesetzt. Ihnen würden viele gesellschaftliche Belastungen z.B. in der Zeit der Pandemie aufgebürdet, ohne dass ihre Bedürfnisse im Blick gewesen seien. So wurden die vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten kritisiert. Utopisch wurde es insbesondere durch unendliche finanzielle Möglichkeiten, auch wenn vom Schokoladengeld tatsächlich etwas übrigblieb. In der Verwirklichung hieß es dann: »Mehr Offenheit«, »weniger Tabuisierung« und »ernst nehmen« sollten wir die Jugendlichen in ihren Ängsten. Zudem sollten Eltern und Bezugspersonen – auch über social media - mehr niedrigschwelligere Unterstützungsmöglichkeiten gegeben werden. Unserer Werkstattgruppe hat der Tag sehr gut gefallen!“ – so die Praxisstudierenden aus der Edith-Stein-Realschule Lippstadt, dem Kinder- und Jugenddorf Petrus Damian in Warburg, der SPI Paderborn und dem Kinder- und Jugendtreff Fly in Verl.

Dass die gemeinsame Projektwerkstatt auch insgesamt ein voller Erfolg war, ergab sich nicht nur aus den Feedbacks der Anleitungen und Kolleg_innen im Nachgang. Die Kolleg_innen aus der Praxis und den Studierende blieben im Anschluss noch im Gespräch vertieft, als die gemeinsame Ergebnispräsentation längst abgeschlossen war. So konnte es gleich weitergehen mit der Planung des nächsten großen Schrittes in Richtung des Studienabschlusses und des Einstiegs in den Beruf, der für die elf Praxis-Studierenden im August 2024 anstehen wird

Text: Prof. Dr. Michael Böwer, Katharina Tewes, BA Soziale Arbeit & Studierendengruppe BASA Praxis+ (2. Kohorte) 

2023 Hochschule Soziales Transfer Praxis Paderborn Nachbericht Paderborn
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