Erfolgreicher „Tag der Forschung“ in Münster – öffnen, gestalten und gemeinsam erkennen
Ein Ziel von Forschung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen ist es, soziale Wirklichkeit zu verstehen und zu verändern. Mit partizipativen Forschungsansätzen sollen unterschiedliche Gesellschaftsbereiche partnerschaftlich erforscht und beeinflusst werden. Eine Herausforderung ist insbesondere, sozial benachteiligte und vulnerable Bevölkerungsgruppen einzubeziehen. Wie dies gelingen kann und wo die Chancen und Risiken liegen, stand im Fokus des Tages der Forschung 2023, der am 19. Oktober in der katho am Standort Münster stattfand.
Eröffnet wurde der Tag der Forschung von Prof.in Dr.in Barbara Ortland (Dekanin FB Sozialwesen Münster), die auf die Bedeutung abteilungsübergreifender Austauschformate für die Forschung an der katho hinwies. Prof.in Dr.in Barbara Schermaier-Stöckl (Prorektorin Forschung und Weiterbildung) berichtete über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Forschung an der katho und Prof. Dr. Hans Hobelsberger (Rektor) führte mit grundlegenden Gedanken zu partizipativer Forschung in das Thema der Veranstaltung ein.
Forschungsethik als „Reflexionsmantra“
In einer Keynote stellte Prof.in Dr.in Saskia Schuppener (Universität Leipzig) (forschungsethische) Chancen und Risiken partizipativer Forschung dar. Wichtig sei, dass eine systematische Reflexion der Erfahrung der Forschenden, ihrer Sozialisation und ihrer Subjektivität stattfinde. Forschungsethik sei als „Reflexionsmantra“ in Hinblick auf die Transparenz der eigenen Positionierung und Perspektive zentral. Damit werde ein offener und transparenter Umgang mit real existierenden Dominanz- und Machtverhältnissen möglich.
„Nichts über uns ohne uns!“
Gerade bei der partizipativen Forschung sei es eine besondere Herausforderung und Chance, auf Augenhöhe mit sogenannten „Co-Forschenden“ zu agieren.
Auch partizipative Wissenschaftskommunikation kam in der Keynote der Leipziger Wissenschaftlerin zur Sprache: Forschungsergebnisse sollten möglichst barrierearm und zielgruppenspezifisch aufgearbeitet werden. Co-Forschende sollten nicht nur als Forschungsobjekt, sondern als Subjekte agieren können – nichts über sie ohne sie! Als Risiken skizzierte Schuppener das Thema der Vergesellschaftung von Forschung durch etwa den nicht einlösbaren Anspruch der Überwindung von Marginalisierung oder den Vorwurf der ‚Pseudopartizipation‘.
Kurzpräsentationen und fachlicher Austausch an Thementischen
In Kurzpräsentationen stellten katho-Wissenschaftler_innen aktuelle Forschungsprojekte und die Forschungsinstitute ihre Arbeitsschwerpunkte vor. Der fachliche Austausch ging anschließend an Thementischen während des Mittagessens weiter und bot Gelegenheit zu Vernetzung.
Pitches und Poster-Sessions
Nach der kulinarischen Stärkung stellten Promovierende der katho ihre Arbeit und ihre Forschung in Pitches und Poster-Sessions vor: soziale Netzwerke und Partizipation von Menschen mit ‚erworbenen Hirnschäden‘ (Katrin Lake); Gerechtigkeit aus Sicht von Jugendlichen und die Bedeutung für Bewältigungsaufgaben und Selbstwirksamkeitserwartung (Jennifer Klein); bewältigungstheoretische Betrachtung genderhomogener Bildungs- und Beratungsangebote bei der Geburtsvorbereitung mit werdenden Vätern (Philip Krüger); Untersuchungen zu Epistemen in Bezug auf Natur und Umwelt in verschiedenen Akteursgruppen Sozialer Arbeit (Laura Maren Harter); kollektive und individuelle handlungsleitende Orientierungen qualifikationsheterogener pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen (Amelie Bernal Copano); „System review and meta synthesis: Coping strategies of children and aolescents of mentally ill parents” (Franziska Sawitzki); fachliche Begleitung von erwachsenen Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und herausforderndem Verhalten in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe (Barbara Enste) und erwachsene Menschen mit Behinderungen und traumatischen Lebenserfahrungen in Wohnangeboten der Eingliederungshilfe (Ann-Kathrin Scholten).
Eine Podiumsdiskussion mit Visionen im Blick
Die Podiumsdiskussion beleuchtete Chancen und Grenzen partizipativer Forschung und wurde vom Leiter des Teilhabeinstituts Prof. Dr. Friedrich Dieckmann moderiert. Mit dabei waren Prof.in Dr.in Saskia Schuppener (Universität Leipzig), Prof.in Dr.in Katrina Scior (University College London), Sarah Spannruft (Institut für soziale Arbeit e.V.), Prof. Dr. Werner Schönig (katho) und Prof. Dr. Michael Isfort (katho / Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.). Scior eröffnete die Podiumsdiskussion mit Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Co-Forschenden mit Beeinträchtigungen mit den Worten: „Wir fangen oft am falschen Ende an. Wir beginnen mit den Herausforderungen und den Hürden. Wir sollten aber mit einer Vision beginnen.“ Eine kritische Selbstreflexion – auch des eigenen professoralen Blickes – sollte immer stattfinden, gerade auch wenn partizipative Forschung mitgedacht wird. Spannruft zeigte Entwicklungen in der Kinder- und Jugendarbeit auf: „Die Sicht der Kinder und Jugendliche ist stärker in den Fokus geraten“, sagte sie. Isfort betonte die Relevanz der Beteiligung von Betroffenen mit den Worten: „Akzeptanz ist wichtig für das Demokratieverständnis.“ Viele Fragestellungen können gar nicht alleine im „Forschungselfenbeinturm“ beantwortet werden, sondern nur mit einer partizipativen Vorgehensweise. Schönig stellte die Möglichkeiten der Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Forschungsvorhaben anhand der erfolgreichen Arbeit des Sozial-Wissenschaftsladens vor. Die Podiumsdiskussion endete mit anregenden Redebeiträgen und Fragen aus dem Publikum.
Der Tag der Forschung fand seinen Abschluss in einem finalen Statement von Prof.in Dr.in Barbara Schermaier-Stöckl zur Forschung, den Gewinn des Diskurses aus den vielfältigen Perspektiven aus Forschung und Praxis und dem Dank an alle Organisator_innen der gelungenen Veranstaltung.