Kunstwerke von Jochen Meyer und Felix Votteler in der Heilig Kreuz Kirche
Datum und Uhrzeit | 28.09.2025, 18:00 Uhr - 12.11.2025, 18:00 Uhr |
---|---|
Ort/ Adresse | Heilig Kreuz Kirche, Münster Hoyastr. 12, 48147 Münster |
Weitere Termine | 28. September – 18:00 Uhr Ausstellungseröffnung mit Spuren Finden e.V. und Studierenden der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen 9. Oktober – 19:00 Uhr VORTRAG: ‚Euthanasie‘ in der Region – von Opfern, Tätern und Widerständigen, Vortrag von Dr. Jens Gründler, LWL-Institut für Westfälische Regionalgeschichte 30. Oktober – 19:00 Uhr LESUNG & FILM: Unter Verrückten sagt man du / Küchenpsychologie – über das Verrücken, Lesung und Filmpräsentation mit Lea de Gregorio und Marie Johanna Weil 6. November – 19:00 Uhr Gedenkblätterlesung Spuren Finden e.V 12. November – 19:00 Uhr Leidenswege von ‚unerwünschten‘ Opfern der NS-Zeit nach 1945, vorgestellt von einem Gesprächskreis |
Die Kunstwerke werden in Form einer Doppelausstellung mit der vom Verein Spuren Finden gemeinsam mit der School of Design der Fachhochschule Münster entwickelten Ausstellung „Vergessenen begegnen – NS-Opfer aus dem Münsterland“ gezeigt. Sie zeigt das im Nationalsozialismus begangene Unrecht an als ‚asozial‘ konstruierten und entwerteten Opfern eindringlich am Beispiel einzelner Personen, die aus der Anonymität heraus geholt und als Individuen greifbar werden.
Die künstlerischen Arbeiten von Jochen Meyder (*1940) und Felix Votteler (*1988) thematisieren am Beispiel des auf der Schwäbischen Alb gelegenen Tatorts Grafeneck die als NS-‚Euthanasie’ bezeichnete, systematische und massenhafte Ermordung von Menschen, die aufgrund ihrer Neurodiversität, ihrer kognitiven Beeinträchtigungen oder psychischen Erkrankungen in der rassistischen Vorstellungswelt des Nationalsozialismus als ‚lebensunwert’ galten. Anders als durch die Präsentation der historischen Tatsachen ist es hier die Magie der Kunst, die in der ihr eigenen Weise die Ungeheuerlichkeiten der Vergangenheit in Erscheinung treten lässt. Ermöglicht und unterstützt Kunst doch ein emotionales Wahrnehmen; das ist „the affective force of art“ (Rita Felski). Und sie spricht dabei so atmosphärisch und bedeutungsoffen zu einem, dass sich etwas in einem auftut und man sich auf die schwierigen Themen einlassen kann.
Kunstwerke
Der auf der Schwäbischen Alb in Dottingen bei Grafeneck lebende Künstler Jochen Meyder beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den nationalsozialistischen Krankenmorden. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht dabei die unfaßbare Zahl von 10.654 in Grafeneck im Jahr 1940 mit Gas ermordeter Menschen. Seine bekannteste Arbeit besteht in entsprechend vielen Figuren von etwa 20 Zentimetern Größe, die er in Terrakotta formte und brannte. Zwischen 2015 und 2024 lagen sie in in einem Metallregal des Dokumentationszentrums der Gedenkstätte Grafeneck aus. Die Besucher_innen konnten eine Art ‚Patenschaft‘ übernehmen und eine Figurine mitnehmen, was auch geschah, „und in deren Namen das Einhalten der Menschenrechte anmahnen“ (Jochen Meyer). Seither bekommen er und das Dokumentationszentrum immer wieder Nachrichten von Menschen aus aller Welt, wo die Figuren nun stehen und dort an die Grafenecker Opfer der NS-‚Euthanasie’ erinnern. Auch das Regal hat im Vorhof des Dokumentationszentrums einen neuen Platz und auch eine neue Funktion gefunden: Es lädt die Besucher_innen der Gedenkstätte jetzt dazu ein, Steine zu bemalen, zu beschreiben und als Nachrichten an andere Besucher_innen aufzubewahren.
In der Heilig Kreuz Kirche ist ein anderer Teil seiner Arbeit „10.654“ zu sehen: Im Raum hängende Folien zeigen schwarzweiße Fotografien der Terrakottafiguren, die aus Meyders Bemühung hervorgegangen sind, hinter der abstrakten Zahl die Menschen sichtbar zu machen. Hier liegen sie gestapelt übereinander. Das wirkt, als stünde Rauch in der Luft. Was sehen wir in ihm? Die Phantasie könnte uns an den Rauch der Verbrennungsöfen von Grafeneck erinnern, den die Menschen der umliegenden Dörfer sahen und rochen? Lässt sich der ‚Rauch‘ darüber hinaus auch als eine Art Nebel verstehen, in dem die damalige Verschleierung der Verbrechen eine Form annimmt? Oder auch die Verdrängung, der die ‚Euthanasie’-Verbrechen nach dem Ende der NS-Zeit anheimgefallen sind? Diesen Rauch möchte die Ausstellung vertreiben, diesen Nebel auflösen, indem sie dazu einlädt, sich heute mit den damaligen Verbrechen auseinanderzusetzen.
Der in Tübingen lebende Künstler Felix Votteler drechselt seine Werke aus Holz, großen Holzblöcken, die er aus den Stämmen gefällter Bäume gewinnt. Die Bäume begreift er dabei als Speicher von historischen Ereignissen aus dem Zeitraum ihrer Lebensspanne. Die Ausstellung zeigt seine Arbeit „Wooden Archives“. Sie besteht aus drei, miteinander arrangierten Holzgefäßen. Votteler arbeitete sie aus dem Stamm einer Esche, die vom Gelände des Schlosses Grafeneck stammt und stand dort auch schon im Jahr 1940, als die ‚Euthanasie’-Verbrechen in Grafeneck begangen wurden. Der Baum war also ein nichtmenschlicher (more-than-human) Zeuge der damaligen Verbrechen. Heute ist er dieses Arrangement dreier zugleich zart und widerstandskräftig wirkender Gefäße. Sie geben etwas eine Form, das bislang keine Form zu haben scheint. Sie zeigen etwas, das man nicht sieht. Es ist nicht möglich, wirklich in sie hinein zu schauen. Was könnten sie bergen? Was verbergen? Was könnte von dort kommen, aus ihnen heraus, und in Erscheinung treten?
Veranstaltungen
Während der Laufzeit der Ausstellung bieten wir kulturpädagogische Workshops für Schulklassen und Jugendgruppen an. Außerdem findet eine Reihe von Veranstaltungen statt.
Informationen zu Jochen Meyder (* 1940)
Im Jahr 2015 nach einer ersten Ausstellung in der Galerie „Pupille“ in Reutlingen zum Gedenken an den Beginn der Aktion „T4“ vor damals 75 Jahren, bei dei etwa 4.000 Figuren den Boden der Galerie bedeckten entstand die Idee das Projekt in der Gedenkstätte Grafeneck weiterzuführen.
Da geeignete Räumlichkeiten im Dokumentationszentrum nicht zur Verfügung standen entstand die Idee die Figurinen auf Metallplatten auszulegen, die mit der Zeit zu einem raumhohen Regal zusammenwuchsen, welches das Dokumentationszentrum in bedrückendes Dunkel tauchte. Die Besuchenden der Gedenkstätte konnten nun eine Art „Patenschaft“ für ein Opfer übernehmen, indem sie einer Figurine eine Heimat geben und in deren Namen das Einhalten der Menschenrechte anmahnen. Die Plastiken kamen an viele Orte, in viele Länder.
Langsam konnten die Metallplatten abgebaut werden, Licht kam wieder in die Gedenkstätte.
Im Jahr 2024 fand die letzte Skulptur ein neues Zuhause.
Das leere Regal wurde vor dem Dokumentationszentrum wieder aufgebaut und wird inzwischen zum Ablegen von „Gedenksteinen“ umgenutzt.

Grafeneck – Münster / 1940 – heute ist ein Projekt der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert. In seinem Rahmen haben Studierende der katho Exkursionen nach Grafeneck unternommen und werden Workshops für Schulklassen angeboten.
Kontakt
Prof. Dr. Jochen Bonz
Professor
Münster, Sozialwesen