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"Der lange Arm der Mullahs" - Vortrag über Bedrohungspotenziale in Deutschland

Am 20. Januar 2022 sprachen Philipp Kranemann und Bijan Hassan Pour-Razavi an der Universität Köln über iranische und andere internationale und transnationale Netzwerke und deren Bedrohungspotenziale für Schutzsuchende in Deutschland. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Stephan Grigat, Co-Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho), das die Veranstaltung zusammen mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und dem Kölner Bündnis gegen Antisemitismus organisierte.

Philipp Kranemann: "Endlich in Sicherheit"

Die Bedrohung durch transnationale Netzwerke in Deutschland sei lange ein Nischenthema der flüchtlingssolidarischen Arbeit gewesen, und noch immer handele es sich thematisch um eine "bemerkenswerte Leerstelle" in der deutschen Migrationsforschung, konstatiert Philipp Kranemann, Mitherausgeber des 2022 erschienen Bandes "Endlich in Sicherheit? Bedrohung von Geflüchteten in Deutschland durch transnationale Netzwerke". Dabei seien die Gefahren für Geflüchtete in Deutschland durchaus real: Staatliche Akteure wie der Iran, China, Syrien oder die Russische Föderation setzten Geflüchtete und Oppositionelle auch über ihre Landesgrenzen hinaus unter Druck und bedrohten sie. "Egal wohin sie flüchten, wir werden sie vernichten", zitiert Kranemann beispielsweise aus der Rede eines AKP-Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Neuss am 15. Januar 2023. In ihrem Überblickwerks, das durch den Solidaritäsfonds der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, versammeln die Herausgeber erste Analysen zu diesen Phänomenen und lassen Betroffene in Interviews selbst zu Wort kommen.

Das Herrschaftsgefüge im Iran

Im Anschluss an die Buchvorstellung gibt der Politikwissenschaftler Bijan Hassan Pour-Razavi einen Einblick in die politischen Herrschaftsgefüge des Iran, seine Rechtsgrundlagen und seine paramilitärischen Repressionsapparate, die Revolutionsgarde (Pasdaran) und die Basij-Miliz - eine Freiwilligenmiliz, die der Revolutionsgarde untersteht. Der "Revolutionsexport" sei in der iranischen Verfassung verankert, erklärt Pour-Razavi, weshalb der Iran in vielen Ländern so genannte Auslandsabteilungen unterhalte - besonders im Irak, in Syrien und im Jemen. Das Bedrohungspotenzial durch diese staatlichen Akteure sei hoch; Entführungen, Folter und Hinrichtungen seien Teil der Strategie des Regimes. Neben Regimegegnern seien auch Mitglieder von Umweltbewegungen, LSBTI-Gruppierungen, allgemein Frauen sowie religiöse Minderheiten wie Juden oder die Bahai Gegenstand staatlicher Diskriminierung oder Verfolgung - Antisemitismus gehöre dabei zur Staatsdoktrin. Der Iran weise laut Amnesty Inernational für das Jahr 2021 eine der höchsten Hinrichtungszahlen der Welt auf und stehe in absoluten Zahlen gerechnet direkt hinter China. Auch sei es eines der wenigen Länder, das auch Minderjährige verurteilt.

Netzwerke und politische Kontakte in Deutschland

Einer der wichtigsten Stützpunkte für das Teheraner Regime sei das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das mittlerweile sowohl den Bundestag als auch den Verfassungsschutz beschäftige. Mit seiner Multiplikatorfunktion für viele Vereine in Europa, z.B. die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS), komme dem Zentrum eine besondere Bedeutung auch hinsichtlich seiner Kontakte in die deutsche Politik zu. So kritisiert Pour-Razavi beispielsweise Olaf Scholz, der 2012 als Hamburgs Erster Bürgermeister einen Staatsvertrag zur Regelung eines partnerschaftlichen Miteinanders mit verschiedenen religiösen Verbänden auf den Weg brachte und dabei den Rat der Islamischen Gemeinden (Schura) mit einbezog - obwohl das IZH dort Mitglied war. Nach anhaltender scharfer Kritik habe das IZH die Schura zwar im letzten Jahr verlassen, dennoch seien die Vorwürfe bereits vor 10 Jahren bekannt gewesen. 

Deutliche Kritik übt Pour-Razavi auch an der vielerorts beobachteten Haltung Deutschlands, wirtschaftliche Interessen über Prinzipien wie Freiheit und Demokratie zu stellen. Als Beispiel führt er besonders die so genannte Iran-Appeasement-Politik Sigmar Gabriels an, der zahlreiche wirtschaftliche Verbindungen nach Teheran initiierte und bis heute fördert. Auch arbeite man in der deutschen Kulturdiplomatie teilweise mit fragwürdigen Ansprechpartnern auf iranischer Seite zusammen. Deutschland versuche, mit Islamisten Integrationsarbeit zu leisten - Pour-Razavi sieht dies sehr kritisch, da sich der iranische Repressionsapparat damit auch durch deutsche Gelder finanziere. Sein Appell an die deutsche Politik: Mehr Druck auf den Iran und mehr Unterstützung für die iranische Diaspora in Deutschland.

Eine Videoaufzeichnung des Vortrags finden Sie weiter unten.

 

Die Referenten

Philipp Wilhelm Kranemann studierte an Universitäten in Gießen, Tokio, Darmstadt und Frankfurt und schloss mit einem M.A. in Politischer Theorie ab. Anschließend arbeitete er als Dozent in der Erwachsenenbildung, als Betreuer in einer Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und als Projektleiter bei einer flüchtlingssolidarischen Nichtregierungsorganisation. Er war Lehrbeauftragter im Bereich der politischen Bildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen und ist gegenwärtig in der außerschulischen Bildung tätig.

Bijan Hassan Pour-Razavi hat Politik und Geschichte studiert und arbeitet im Kompetenznetzwerk Antisemitismus sowie freiberuflich in der politischen Bildung vornehmlich zu Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Er gehörte zu den Mitgründer_innen des Vereins an.ge.kommen e.V. in Gießen und leitete dort mehrere Jahre die Unterstützungssprechstunden und Begleitungen für Geflüchtete. Mit der Green Party of Iran und der Initiative „Free Iran Now“ Kassel setzt er sich für die Aufklärung über die Situation in Iran ein.

Stephan Grigat ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Co-Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) an der katho.

 

 

Vortrag: Der lange Arm der Mullahs, 20.01.2023, Universität Köln

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