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Delegationsreise „60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Deutschland“

Stephan Grigat, Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS), nahm als Delegierter für den Bereich „Wissenschaft“ an der Delegationsreise „160 Representatives, One Friendship: 60 Years Germany & Israel“ nach Israel teil. Die Reise markierte den 60. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland und führte die rund 160 Vertreter_innen aus Politik, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Sport und Zivilgesellschaft nach Jerusalem, Tel Aviv, Haifa und Südisrael.

Empfang in der Residenz des Staatspräsidenten Jitzchak Herzog in Jerusalem

Gruppenfoto der Delegation bei Nacht – Begegnungen, Austausch und ein starkes Zeichen deutsch-israelischer Verbundenheit

„Bring Back The Colours“ – eine Ausstellung bemalter Stühle, gestaltet von Angehörigen und Unterstützerinnen, als symbolischer Ausdruck der Hoffnung auf die Rückkehr der Geiseln nach dem 7. Oktober

Gedenkzeremonie in der Hall of Remembrance in Yad Vashem

Gesprächsrunde im Herods Hotel mit Überlebenden des Hamas-Massakers beim Nova-Musikfestival – eine der emotional intensivsten Begegnungen der Delegationsreise

Gedenkstätte für die Opfer des Nova-Musikfestivals – hier die Tafel von Shani Louk

Besuch im Kibbuz Nahal Oz an der Grenze zu Gaza – die Delegation beteiligt sich an der Baumpflanzung im Rahmen der Gedenkzeremonie

Stephan Grigat in der Ben-Gurion University in Beʾer Scheva, an der auch Benny Morris lehrte

Treffen im ANU – Museum of the Jewish People an der Tel Aviv University mit Kooperationspartnern David Barak-Gorodetsky, Karin Stögner und (nicht im Bild) David Hirsh

Angesichts des weltweit zunehmenden Antisemitismus kommt hochrangigen Austauschprogrammen zwischen Staaten eine besondere Bedeutung zu: Sie setzen sichtbare Zeichen der Solidarität, stärken persönliche Bindungen und fördern ein tieferes gegenseitiges Verständnis. Für Israel ist Deutschland dabei ein zentraler Verbündeter – politisch, historisch und gesellschaftlich. Das Programm sollte daher nicht nur bestehende Kooperationen festigen, sondern auch deutlich machen, wie wichtig die deutsch-israelische Partnerschaft im Kampf gegen Antisemitismus und für demokratische Werte ist.

Das Programm „160 Representatives, One Friendship: 60 Years Germany & Israel“ wurde von israelischer Seite initiiert und gemeinsam mit verschiedenen deutschen Partnerinstitutionen umgesetzt. Ziel war es, anlässlich des 60. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland Menschen aus Politik, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Sport und Zivilgesellschaft zusammenzubringen und ihnen vor Ort einen direkten Einblick in Israels Realität, Innovationskraft und gesellschaftliche Vielfalt zu geben.
 

Auftakt der Delegationsreise

Der Auftakt erfolgte am 16. November nach der Ankunft am Ben-Gurion-Flughafen mit der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im israelischen Außenministerium. Die Sängerin Yuval Raphael, Zweitplatzierte des Eurovision Song Contests und Überlebende des Nova-Massakers, verlieh der Zeremonie eine eindrückliche Atmosphäre. Ihre Performance – unter anderem mit „Dancing Queen“ – erhielt vor dem Hintergrund der Ereignisse vom 7. Oktober eine neue, zugleich erschütternde und ermutigende Bedeutung.

Sie erklärte vor der Delegation: „Dass ich singe und dass ich Israel international vertreten darf, ist für mich Teil des Heilungsprozesses nach den Erlebnissen beim Nova-Massaker. Ich habe keine angemessenen Worte für das, was uns dort passiert ist. Wichtig war für mich, dass ich danach wieder meine Uniform angezogen habe. Die Welt muss verstehen, dass uns hier in Israel nur unsere Armee, in der auch meine arabischen und drusischen Freunde kämpfen, Sicherheit geben kann.“
 

Begegnungen in Jerusalem und Einblicke in die israelische Innovationslandschaft

Der zweite Tag begann in Jerusalem mit einem Besuch bei Mobileye, wo Mois Navon der Delegation Israels Rolle als Technologiezentrum und „Start up-Nation“ erläuterte und Zusammenhänge mit jüdischer Philosophie und dem Konzept des „tikkun olam“, dem „Heilen“ oder „Reparieren“ der Welt herstellte. Anschließend führte eine Stadtführung durch die Altstadt Jerusalems zu historischen und religiösen Stätten.

Der Tag endete mit einer Führung durch das Museum der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem und einer Gedenkzeremonie im Ohel Yizkor, wo der Delegation erneut die historische Dimension der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland vor Augen geführt wurde.
 

Empfang beim Staatspräsidenten

Am folgenden Tag fand in der Residenz des israelischen Staatspräsidenten Jitzchak Herzog ein langes Gespräch statt – ein Höhepunkt der Reise. Herzog sprach klar und eindringlich über die politischen Herausforderungen Israels in dieser Zeit. „Wir sind geschockt von der globalen Welle des Antisemitismus, die wir nach dem 7. Oktober sehen mussten. Aber mit Ihnen allen gemeinsam werden wir dem entschieden entgegentreten.“

Dabei verwies er darauf, dass Israel durch die aggressive Regionalpolitik des iranischen Regimes und dessen Unterstützung terroristischer Organisationen in seiner Sicherheit dauerhaft bedroht ist und dass diese Politik längst auch Europa in den Blick nimmt: „Hinter all den fürchterlichen Entwicklungen in unserer Region steht das Empire des Bösen in Teheran. Zuerst will das iranische Regime uns zerstören, dann zielen sie auf Europa.“

Der anschließende Besuch im Ichilov Hospital in Tel Aviv zeigte eindrucksvoll, wie eng medizinische Forschung, Hightech und klinische Versorgung in Israel miteinander verbunden sind, und welche entscheidende Rolle das Krankenhaus während des Raketenbeschusses aus Gaza, dem Libanon und insbesondere aus dem Iran in den letzten zwei Jahren gespielt hat.

Am Abend fand im Hotel eine Vorführung der Dokumentation „We Will Dance Again“ statt, gefolgt von einem Gespräch mit drei Überlebenden des Nova-Festival-Massakers. Die Veranstaltung hinterließ beim Publikum spürbare Betroffenheit und tiefen Respekt gegenüber den persönlichen Schilderungen der Überlebenden.
 

Südisrael: Begegnungen im Kibbuz und Gedenken an das Nova-Massaker

Der Besuch in Südisrael zählte zu den bewegendsten Momenten der Delegationsreise. Die Gruppe besuchte den Kibbuz Nahal Oz, nur 500 Meter von Gaza entfernt. Die Überlebende Oschrit Sabag schilderte eindringlich ihre Erfahrungen und den Bruch, den der Angriff vom 7. Oktober bedeutet: „Als meine Familie, die als Juden aus Libyen vertrieben wurden, hier nach Israel kamen, dachten wir: Jetzt haben wir ein Zuhause. Die Angriffe vom 7. Oktober haben diese Sicherheit nachhaltig in Frage gestellt.“

Zugleich sprach sie über die verzerrte Wahrnehmung der Ereignisse im Ausland: „Es ist verrückt, wenn Menschen wie ich als Kolonisatoren bezeichnet werden. Ich wäre in dieser Region so etwas wie eine eingeborene Kolonisatorin. Kann es das geben? Zugleich existiert im Westen ein Rassismus der niedrigen Erwartung gegenüber den Palästinensern.“

Auch über die früheren Beziehungen zu Menschen in Gaza berichtete sie ausführlich: „Natürlich hatten wir gute Beziehungen zu einigen Palästinensern in Gaza. Bei meiner Hochzeit hier im Kibbuz waren mehrere Familien aus Gaza dabei. Aber unsere Freunde dort haben schon lange nichts mehr zu sagen. Womit wir in den letzten Jahren auf palästinensischer Seite mehrheitlich konfrontiert sind, kann man sich kaum vorstellen. Mir fehlen die Worte, um die Bestialität der Angriffe vom 7. Oktober zu beschreiben – vor allem, was diesen offensichtlichen abgrundtiefen Hass auf Frauen angeht.“

Am Nova-Gedenkareal sprach auch Überlebender Tal: „Wir wollten tanzen, feiern und Liebe verbreiten. Und dann kam die Hölle auf Erden. Aber wir werden wieder tanzen, feiern und Liebe verbreiten – auch gemeinsam mit jenen Palästinensern, die die Hamas genauso hassen wie wir.“

Nach dem Nova-Gelände stand das Memorial für die Kämpfe am 7. Oktober in Sderot und ein Besuch an der Ben-Gurion University of the Negev am Programm. An der Ben-Gurion University war u. a. Benny Morris ab 1997 Professor für Nahost-Studien – das CARS hat 2023 die deutsche Übersetzung seines Standardwerks „1948: Der erste arabisch-israelische Krieg“ mit auf den Weg gebracht, zu dem Stephan Grigat das Nachwort geschrieben hat.
 

Akademischer Austausch an der Tel Aviv University

Jenseits des offiziellen Programms nahm der Leiter des CARS an einem Vernetzungstreffen mit dem Comper Center for the Study of Antisemitism and Racism an der Tel Aviv University teil, wo er und Prof.in Dr.in Karin Stögner (Universität Passau) den im Nomos-Verlag erschienenen Sammelband „Projektiver Antizionismus: Antisemitismus vor und nach dem 7. Oktober“ vorstellten. Gemeinsam mit den Kolleg:innen aus Haifa und mit David Hirsh vom London Centre for the Study of Contemporary Antisemitism wurden zentrale Schritte für die geplante internationale Konferenz „Contemporary Antisemitism“ abgestimmt, die im März 2026 an der University of Haifa stattfindet.
 

Politische Spannungen und akademischer Austausch

Stephan Grigat bewertete die Reise insgesamt sehr positiv, wies jedoch auch auf die politischen Spannungen hin, die während der Delegation sichtbar wurden: „Die Reise war wichtig, um die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zu festigen und neue Kooperationen anzubahnen, insbesondere auf der akademischen Ebene. Zugleich hat sich aber gezeigt, wie prekär diese Beziehungen auf der politischen Ebene sind: Die deutsche Botschaft in Israel hat das Programm weitgehend boykottiert, weil auch Termine am Golan und in Ostjerusalem vorgesehen waren, und der deutsche Botschafter ist nicht zur Eröffnungsveranstaltung erschienen – was nicht nur ein Affront gegenüber Israel war, sondern auch gegenüber den 160 Teilnehmer_innen aus Deutschland.

 

Prof. Dr. Stephan Grigat

Kontakt

Prof. Dr. Stephan Grigat

Professor für Theorien & Kritik des Antisemitismus, Leiter des Centrums für Antisemitismus- & Rassismusstudien (CARS)

Aachen, Sozialwesen

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