Dreitägiger Kongress erfolgreich gestartet: „Jede Transformation hat auch eine soziale Dimension“
Wie wichtig das Thema der Stunde ist, erörterte Rektor Hans Hobelsberger in seinen Eröffnungsworten im neuen Großen Audimax: „Es gibt normativ einen Zwang zur Transformation, um in einer Transformationsgesellschaft überleben zu können“, sagte er vor den interessierten Zuhörer_innen, „dabei hat jede Transformation auch eine soziale Dimension und das ist der Ansatz unseres Kongresses.“ Gerade angesichts der drei großen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung – Ökologie, Ökonomie, Soziales –, ist es unerlässlich, auf diese großen Entwicklungen und deren Strategien einzugehen. Diesen Prozess voranzutreiben, ohne wissenschaftliche Standards zu unterlaufen, ist auch Aufgabe der Hochschulen: „Dabei ist es vor allem die soziale Dimension, die uns beschäftigt, die wir aber nicht isoliert betrachten möchten, sondern zusammen mit ihren ökologischen oder ökonomischen Zusammenhängen“, so Hobelsberger weiter. Der Kongress ist dafür die ideale Plattform, denn „Vernetzung und Austausch ist gleichsam unser Lebenselixier“.
Voller Freude begrüßte der Rektor die zahlreichen Gäste der internationalen Partnerhochschulen, unter anderen aus Israel, Kenia, der Türkei, Simbabwe, den USA, Spanien, Kolumbien, dem Kongo, der Schweiz und Tansania, sowie die beiden Hochschulpräsidenten Prof. Dr. Stefan Herzig von der TH Köln und Prof. Dr. Andreas Wytzisk-Arens von der Hochschule Bochum. Auch eine große Studierendengruppe der Hochschule Bielefeld sowie die Partner von Landschaftsverbänden, Ämtern und Kommunen wurden herzlich empfangen.
Ministerin Neubaur: „Transformation ist ein Jahrhundertprojekt, aber es weckt auch neue Kräfte“
Ebenso meldete sich die Politik zu Wort – mit einem Video-Grußwort der stellvertretenden Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen Mona Neubaur: „Soziale Transformation ist der zentrale Begriff der Gegenwart“, sagte die Grünen-Politikerin. Der Übergang in den sozialen Wandel sei auch ein Thema, das die politisch Verantwortlichen beschäftige. Dabei drehe sich alles um das Gemeinwohl: „Wie wir arbeiten, leben oder uns fortbewegen – das alles wird sich verändern“, erklärte die Ministerin. „Transformation ist ein Jahrhundertprojekt, aber es weckt auch neue Kräfte, wie der Umgang mit dem Klimawandel zeigt“, sagte sie den Teilnehmenden und wünschte allen inspirierenden Input auf dem Kongress.
Als Gesellschaft ethische wie politische Lösungen finden
Die anschließende Gesprächsrunde, die Prof.in Dr.in Karla Verlinden (Standort Köln) und Prof. Dr. Sebastian Laukötter (Standort Münster) eloquent moderierten, mit Gesprächspartner_innen aus vier Kontinenten beleuchtete die globale Dimension der Transformation. Prof.in Dr.in Rachel K. Gesami von der Catholic University of Eastern Africa in Nairobi betonte, dass wir einen gesellschaftlichen Wandel auf allen Gebieten brauchen: „Uns muss immer klar sein, dass Transformation ein höchst verlinkter Prozess ist, der uns alle betrifft, und wir alle müssen ihn als eine Welt angehen“, sagte Gesami. Am Beispiel der Corona-Pandemie skizzierte Dr.in Robin S. Mama von der Monmouth University in New Jersey, dass wir den technologischen Fortschritt nicht ignorieren dürfen: „Ein Jahr hat der Unibetrieb online stattgefunden, viele dachten, danach sei alles wie vorher“, sagte sie, „aber dem war nicht so.“ Auch beim Einzug der Künstlichen Intelligenz und ChatGPT war laut Mama der erste Reflex der Professor_innen, diese Programme zu verbieten, aber sie werden sich weiterentwickeln und nicht einfach wieder verschwinden: „Auch wir müssen mit der Zeit gehen, sonst werden wir abgehängt und scheitern.“
Prof. Dr. Martin Klein warf die Frage auf, wie wir als Gesellschaft zu ethischen Lösungen kommen: „Wir haben kollektive Probleme, aber wir handeln nicht kollektiv“, sagte er im Gespräch. Gleichzeitig sei es ein sehr bekanntes Thema, dass Gesellschaften genau wie Einzelpersonen träge sind, da man in seinem Alltag und in der Routine lebe. Wichtig ist es aus Kleins Sicht, politische Lösungen zu finden. Auch in Europa gäbe es große Herausforderungen wie den Ukrainekrieg oder die zunehmende Migration. „Hier gibt es keine gemeinsame Erkenntnis, sondern der Transformationsprozess ist an vielen Stellen kompliziert und wir haben noch viele Aufgaben vor uns“, so Klein.
Höchste Zeit, gemeinsam etwas zu tun
In einem empathischen Vortrag betonte Dr. Deep Jyoti Gurungu von der CHRIST University aus Indien, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, dass es höchste Zeit sei, gemeinsam etwas zu tun: „Transformation findet dann statt, wenn alle Menschen und Kontinente im Einklang mit der Natur leben und sie zusammen eine Zukunft haben.“ Für sein Land ist die digitale Kluft die größte Herausforderung, da viele Inder_innen keine Zugang zu Internet und Technik hätten. „Wir brauchen bei der Transformation eine gute Balance“, so Gurungu.
Abschließend waren sich die Gesprächspartner_innen einig, dass ihnen vor allem die jungen Menschen im Hörsaal Mut machten, dass soziale Transformation gelingen kann. Prof. Dr. Martin Klein fasste die facettenreiche Diskussion mit den Worten von Vaclav Havel zusammen: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“
Eine andere Qualität der Zusammenarbeit notwendig
Im Anschluss fragte Dr. Stephan Klingebiel vom German Institute of Development and Sustainability in seinem Vortrag: „Wie weiter mit globaler nachhaltiger Entwicklung?“ Beim allen, was die Staaten global vereinbart hätten, hingen wir sehr weit hinterher, so sein ernüchterndes Fazit. Trotz der multiplen Krisen wie bewaffnete Konflikte oder dem Klimawandel sei die Fähigkeit, diesen Herausforderungen gemeinschaftlich zu begegnen, gesunken. Wachsende internationale Spannungen und Nationalismus in allen Weltregionen wird durch Minilateralismus und „club gouvernance“ ersetzt. Klingebeils Forderung lautete deshalb: „Wir brauchen andere Qualität der Zusammenarbeit!“ Am Beispiel des Klimawandels erklärte er die neue strategische Bedeutung des Globalen Südens und die starken Überlappungen zur Entwicklungszusammenarbeit.
Nach einer Stärkung beim Mittagsessen vertieften die Gäste das Thema in vier Panels, die die soziale Transformation mit Blick auf den sozialökonomischen Wandel, auf Antisemitismus und Gesellschaft, auf die Systeme des Kinderschutzes sowie auf die Bildungsarbeit zu Frieden und Nachhaltigkeit beleuchteten.
Den ersten gelungenen Kongresstag rundete eine Reflexion und ein Abendessen bei einer Rheinschifffahrt ab.