Neue s_innzeit-Folge: Ermöglichung statt Fremdbestimmung – Sexualität und Behinderung
Sexualität und Behinderung zwischen Mythen und Einschränkungen
Es kursieren viele Mythen und Vorurteile über die Sexualität von Menschen mit Behinderung. Die Spannbreite reicht hierbei von der Vorstellung der Asexualität bis hin zu einer rein triebhaften Sexualität, bei der keine Lern- und Bildungsprozesse möglich erscheinen. Gleichzeitig bewegen sich Menschen mit Behinderung oft in Strukturen der Behindertenhilfe und sind dadurch vielerorts von moralischen Einstellungen der Familienmitglieder und Mitarbeitenden abhängig. Diese Abhängigkeiten schränken Menschen mit Behinderung in ihrer sexuellen Selbstbestimmung ein. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird jedoch sowohl durch die 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention als auch das Grundgesetz (Artikel 3) umfassend gestärkt. In der UN-BRK wird Menschen mit Behinderung unmissverständlich das Recht zugesprochen, frei und selbstbestimmt über Themen wie Eheschließung und Familiengründung entscheiden zu können. Die Realität zeigt aber nach wie vor, dass dieses Recht an vielen Stellen eingeschränkt oder aberkannt wird. Eins steht fest: Sexualität bei Menschen mit Behinderungen kommt nur langsam umfassend aus der Tabuzone.
In der neuen Folge der s_innzeit nehmen die Moderator_innen Dr. Marina-Rafaela Buch und Jens Koller dieses Thema genauer unter die Lupe. Mit ihren Gästen, Prof.’in Dr. Barbara Ortland (Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abt. Münster) und Meline Götz (Sexualpädagogin), sprechen sie über folgende Aspekte: die Hindernisse und Herausforderungen in der Ermöglichung der selbstbestimmten Gestaltung der eigenen Sexualität; die Grenzen und Vorurteile; aber auch die Möglichkeiten und Perspektiven, wie ein angemessener und ermöglichender Umgang mit der Sexualität von Menschen mit Behinderung aussehen kann und diese Menschen fachlich kompetent begleitet werden können. Darüber hinaus wird die besondere Lage von Frauen mit Behinderung thematisiert, ebenso wie das Thema der Gefährdung gegenüber Gewalt.
Vorstellung der Gäste
Prof’in Dr. Barbara Ortland ist zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und lehrt Heilpädagogische Methodik und Intervention an der Abteilung Münster in den Studiengängen der Heilpädagogik. Sie hat zum Thema "Sexualerziehung bei Schüler_innen mit Behinderungen im Kontext Förderschule" habilitiert und das KiS-Konzept für schulische Sexualerziehung entwickelt. Die Professorin beschäftigt sich unter anderem mit sexueller Entwicklung unter der Lebensbedingungen Behinderung sowie Fragen sexueller Selbstbestimmung Erwachsener mit Behinderungen in Organisationen inklusive partizipativer Organisationsentwicklung. Seit 2014 bis 2019 hat sie mit zwei Kolleg_innen das Modellprojekt "Reflexion, Wissen, Können - Qualifizierung von Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern zur Erweiterung der sexuellen Selbstbestimmung für erwachsene Menschen mit Behinderungen in Wohneinrichtungen" (ReWiKs) geleitet.
Meline Götz hat Soziale Arbeit an der Hochschule Coburg studiert und ist zertifizierte Sexualpädagogin, sowie personen- und emotionszentrierte Beraterin und Yogalehrerin. Sie war unter anderem sechs Jahre lang bei pro familia in Bremen im Bereich Beratung und sexualpädagogische Arbeit mit Gruppen tätig. 2019 hat sie sexpaed gegründet und bietet als Selbstständige u. a. Seminare und Beratungen für Menschen mit Behinderung und Fachkräfte an mit dem Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu stärken. Seit 2020 ist Meline Götz Mitglied in der Gesellschaft für Sexualpädagogik (gsp) und hat im selben Jahr den Leitfaden "Sexualität und Behinderung" für die Freie Hansestadt Bremen mitverfasst. Gemeinsam mit Carsten Müller von der Praxis für Sexualität bietet sie die Weiterbildung "Sexualpädagogik mit dem Schwerpunkt Behinderung" an.