„Pferdgestützte Heilpädagogik“: Was wir von und mit Pferden lernen können
„Ohne mein Pferd wäre ich nicht die, die ich heute bin.“ Diesen Satz sagte eine Studentin im Rahmen unseres Seminars zur Tiergestützten Therapie und Pädagogik an der katho am Standort Münster. Der Satz kam von Herzen, und ich kann ihn auch genauso unterschreiben. Die meisten, die eine enge Beziehung zu einem oder mehreren Pferden haben bzw. hatten, werden den enormen Einfluss dieser wunderbaren Geschöpfe bestätigen.
Pferde lehren uns so viel. Ihre Sensibilität und ihr ausgeprägtes Sozialverhalten ermöglichen eine gewinnbringende Zusammenarbeit und Beziehungsgestaltung in pädagogischen und therapeutischen Kontexten. Und Beziehung steht immer im Mittelpunkt des heilpädagogischen, pädagogischen, therapeutischen und sozialarbeiterischen Handelns.
Pferde sind im Hier und Jetzt und ohne Vorurteile authentisch
Pferde gehen von sich aus in Beziehung zu Menschen. Sie können außerdem die Motivation steigern und Menschen öffnen sich, werden körperlich und emotional berührt. Pferde sind im Hier und Jetzt und ohne Vorurteile authentisch, so dass sie quasi im Sinne von Carl Rogers‘ klientenzentrierter Therapie auch einen empathischen und vorurteilsfreien Umgang herausfordern können (Rogers, 2012; Weinberger, 2011).
Außerdem kann es Menschen im Kontakt mit Tieren leichter fallen, Dinge anzusprechen bzw. auszusprechen, die sonst eher im Verborgenen bleiben. Weiterhin können Tiere und insbesondere Pferde dabei helfen, Stimmungen und Gefühle „zu spiegeln“ und den Fachkräften so zu ermöglichen, über das „Lesen“ des Tieres wiederum etwas über den Zustand der Klient_innen zu erfahren.
Die Förderung mit Tieren kann die Selbstwirksamkeit steigern
Pferde sind ausgesprochen sensibel für menschliche Gefühlslagen und reagieren erkennbar. Auch setzt der Mensch ein Tier ggf. in Bezug zu sich selbst und nutzt es daher in unterschiedlicher Weise als Selbst- oder Identifikationsobjekt. Die Förderung mit Tieren kann die Selbstwirksamkeit steigern, so dass hier ein weiterer Ansatzpunkt für die therapeutische und pädagogische Arbeit fokussiert wird (Menke, Huck & Hagencord 2018).
Auch die imposante Größe von Pferden mit ihrem feinsinnigen Charakter kann die Selbstwirksamkeit erhöhen, wenn eine gelingende Kommunikation im Umgang mit den beeindruckenden Tieren erlebt wird und die Fachkraft in der Lage ist, das passende Pferd in Bezug auf Größe, Charakter und Temperament für die jeweiligen Klient_innen auszuwählen. Um diese Zusammenarbeit leisten zu können, bedarf es einer grundlegenden Qualifikation.
Beziehungsdreieck zwischen Pferd, Klient_in und Fachkraft
Viele verschiedene Berufsgruppen sind in der Pferdgestützten Heilpädagogik tätig. Es sind nicht nur Heilpädagog_innen, sondern vielmehr Sozialarbeiter_innen und Pädagog_innen mit unterschiedlichen Qualifikationen. Die Pferdgestützte Heilpädagogik beschreibt daher ein Handlungsfeld, in dem eine Förderung von Klient_innen mit unterschiedlichen Förderbedarfen im sozial-emotionalen und/oder (psycho)motorischen Bereich erfolgt.
Das Pferd wird für die Beziehungs- und Bewegungsarbeit als Teil des Teams in der (heil-)pädagogischen Arbeit eingebunden. So entsteht ein Beziehungsdreieck zwischen Pferd, Klient_in und Fachkraft, auf dessen Basis alle Übungen und Förderungen erfolgen können. Hier spielt nicht nur die Qualifizierung der Fachkräfte eine Rolle, auch die Ausbildung der Pferde ist bedeutsam. Ebenso sind deren Haltungsbedingungen und die Beachtung des Tierschutzes bzw. des Wohlbefindens der Pferde zentral für deren Gesunderhaltung.
Bedeutsam ist außerdem die Qualitätssicherung im Bereich der pferdgestützten Arbeit und die Kenntnis der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen rund ums Pferd, Kenntnisse hinsichtlich des Versicherungsschutzes sowie der Kosten- und Leistungserbringung. Der derzeit einzige staatlich geprüfte Aufbaubildungsgang zur Fachkraft für die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd in Deutschland stellt die Grundlage für das jetzt im Kohlhammer-Verlag erschienene Fachbuch „Pferdgestützte Heilpädagogik“ dar, das ein Leitfaden für alle Interessierten in therapeutischen, (heil-)pädagogischen und sozialen Handlungsfeldern sein soll.
Text: Marion Menke
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Prof. Dr. phil. Dipl. Päd. Marion Menke
Professorin
Münster, Sozialwesen