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„Staat und Kirche – Unheilige Allianz bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt?“

Am 23. November 2023 veranstaltete der gemeinnützige Verein Umsteuern! Robin Sisterhood e.V in Kooperation mit dem Fachbereich Sozialwesen Köln eine Podiumsdiskussion zum Thema Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Kontext von Kirche.

Diskussionsrunde v.l.n.r: Prof. Dr. Thomas Schüller, Dr.in Christiane Florin, Julia Schönig, Jochen Ott, Prof.in Dr.in Heike Wiemert. Foto: Christian Palm.

Maria Mesrian, 1. Vorsitzende des Vereins Umsteuern! Robin Sisterhood e.V begrüßt die Gäste. Foto: Christian Palm.

Dr.in Christiane Florin, Journalsitin vom DLF und Moderatorin Julia Schönig vom WDR. Foto: Christian Palm.

Prof. Dr. Thomas Schüller, Universität Münster. Foto: Christian Palm.

Julia Schönig und Jochen Ott, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag NRW. Foto: Christian Palm.

Prof. in Dr.in Heike Wiemert, Dekanin Fachbereich Sozialwesen Köln. Foto: Christian Palm.

Der Audimax der Abteilung Köln war am Abend gut gefüllt als Maria Mesrian, 1. Vorsitzende des Vereins Umsteuern! Robin Sisterhood e.V nach einer Begrüßung der Gäste durch die Dekanin Prof.in Dr.in Heike Wiemert in die Veranstaltung einführte. Anlass eine Podiumsdiskussion sowie einen sich am Folgetag anschließenden Fachtag zu veranstalten, sei Zwischenbilanz zu ziehen, nachdem fünf Jahre nach der Veröffentlichung der MHG-Studie im Jahre 2018 vergangen sind. Aufgeworfen wurde die Frage, welche Auswirkungen diese Studie sowie folgende auf Prozesse der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Kontext von Kirche gezeigt haben?

Zu Wort kam zunächst der Leiter und Koordinator der MHG-Studie, Prof. Dr. Harald Dreßing. „Die MHG-Studie hatte das Ziel die Häufigkeit sexueller und sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige durch Diözesanpriester, Diakone und Ordenspriester im Gestellungsauftrag im Verantwortungsbereich der Deutschen Bischofskonferenz zu ermitteln, die Formen sexuellen Missbrauchs zu beschreiben und kirchliche Strukturen und Dynamiken zu identifizieren, die das Missbrauchsgeschehen begünstigen könnten“, so Dreßing. Er wies darauf hin, dass es nicht Aufgabe der wissenschaftlichen Studie sei, Aufarbeitung zu betreiben. Sie lege vielmehr Mechanismen und Strukturen frei, die zeigen, wie die Vertuschung der Straftaten, die an Kindern und Jugendlichen von Geistlichen verübt wurden, funktioniert hat. Insgesamt zog er ein ernüchterndes Resümee hinsichtlich der Wirkkraft der Studie für Aufarbeitungsprozesse in der katholischen Kirche, nicht zuletzt hat er sich mehr Unterstützung durch die Politik erwartet.

Erwartungen an die Aufarbeitung sexueller Gewalt im Kontext von Kirche wurden in der Podiumsdiskussion vertieft, die von der WDR-Journalistin Julia Schönig moderiert wurde. Christiane Florin, promovierte Journalsitin beim Deutschlandfunk markierte das Umgehen mit den Betroffenen als zentrale Blockade im Aufarbeitungsprozess. Nach wie vor sei Kirche nicht bereit, Schuld und Versagen einzugestehen und das Leid der Betroffenen anzuerkennen. Es sei die Leistung der Betroffenen, dass Aufarbeitung überhaupt in Gang kommt, und dennoch werden sie in diesen Prozessen marginalisiert. Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Münster und Autor des jüngst erschienen Buches „‘Unheilige Allianz‘ - Warum Kirche und Staat sich trennen müssen“ stellte die augenfällige Zurückhaltung bei der Kommentierung sexueller Gewalt ausgeübt durch Angehörige der Kirche seitens der Politik ins Zentrum. Staat und Politik verhielten sich zu defensiv, in der politischen Landschaft sind nur vereinzelt Politiker_innen auszumachen, die sich des Themas annehmen würden. Zu den letztgenannten kann Jochen Ott, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag NRW gezählt werden, er erklärte, dass er durch politische Arbeit unabhängige Aufarbeitung voranbringen und gesetzliche Lösungen forcieren möchte. Er verwies auf den Antrag „Opferrechte stärken: Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchstaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen!“, den die SPD-Fraktion in den Landtag eingebracht hat und der im März dieses Jahres im Rahmen einer Anhörung diskutiert wurde. Damit wurden Weichen für weitere Diskussionen und politische Forderungen gestellt, wie die Ernennung einer kinderschutzbeauftragten Person sowie die Einrichtung eines unabhängigen Betroffenenbeirates in NRW. An Heike Wiemert wurde die Frage gerichtet, welche Rolle den Hochschulen bei der Aufarbeitung zukommt. „Mit Veranstaltungen wie diese Podiumsdiskussion heute Abend zeigen wir als Hochschule, dass wir dem Thema Aufarbeitung sexueller Gewalt im Kontext von Kirche eine wichtige Bedeutung zuschreiben und fordern die Studierenden heraus, sich mit den Ermöglichungsbedingungen in Institutionen und Organisationen auseinanderzusetzen“, so Wiemert. „Als Hochschule sind wir dafür verantwortlich sicher zu stellen, dass angehende Sozialarbeiter_innen und Kindheitspädagog_innen Wissen über Aufarbeitung als zentrales Element von Schutzprozessen erlangen. Dazu gehört neben dem Wissen wie organisationale Strukturen, Kulturen und Interaktionsmuster Gewalt verhindern, aber auch befördern können, eine reflexive Haltung im Hinblick auf eigene Mitverantwortung einzunehmen“, führte Wiemert aus.

Im zweiten Teil der Veranstaltung konnte das Plenum Fragen an die Podiumsrunde stellen. Raum nahmen dabei Fragen danach ein, wie Aufarbeitung und Anerkennung von Schuld der Täter_innen sowie Leid der Betroffenen außerhalb der Kirche verfolgt wird. In diesem Zusammenhang wurde auf die mangelnde Versorgung mit Fachberatungsstellen, insbesondere im ländlichen Raum und weiteren Unterstützungsstrukturen der Nachsorge hingewiesen. Unabhängige Fachberatungsstellen wie „Leuchtzeichen“, die vom Verein Umsteuern! Robin Sisterhood e.V durch Spenden finanziert und durch einen all monatlichen Kraftakt der Ehrenamtlichen am Laufen gehalten wird, müssen in eine reguläre öffentliche Finanzierung überführt werden, hier muss Politik tätig werden, diese Forderung fand große Zustimmung.

Die Themen des Abends wurden am 24.November 2023 im Rahmen eines Fachtags unter dem Titel „5 Jahre MHG Studie – Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche: Erfolgsstory oder Geschichte des Scheiterns?“ in der Karl Krahner Akademie weiterbearbeitet.
 

Über UMSTEUERN! ROBIN SISTERHOOD e.V.

Der gemeinnützige Verein Umsteuern! Robin Sisterhood e.V. setzt sich für Betroffene von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung in der katholischen Kirche ein. Seit März 2022 berät die vom Verein getragene, spezialisierte Fachberatungsstelle „Leuchtzeichen“ Menschen, die im kirchlichen Kontext Gewalt erfahren haben. Auf politischer Ebene ist das Ziel des Vereins, dass Aufarbeitung und Entschädigung in von den Kirchen unabhängige Hände gelegt werden.  

Kontakt

Prof'in Dr. Heike Wiemert

Dekanin / Professorin für Theorien, Konzepte und Methoden der Sozialen Arbeit, Schwerpunkt Inklusiver Kinderschutz

Köln, Sozialwesen

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