Dagmar Herzog: Eugenische Phantasmen
Auf einen Blick
Datum und Uhrzeit | 05.11.2025, 19:30 - 21:30 Uhr |
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Ort/ Adresse | Franz-Hitze-Haus (Katholisch-Soziale Akademie) |
Referent_innen | Dagmar Herzog |
Anmeldezeitraum | Bis zum 04.11.2025 |
Anmeldeinformationen | Anmeldung online beim Franz-Hitze-Haus (siehe weiter unten) |
In ihrem Vortrag wird Dagmar Herzog diese Überlegungen vorstellen. Sie bezieht sich dabei auf ihre Studie ‚Eugenische Phantasmen‘ (Suhrkamp, 2024) sowie ihren gerade veröffentlichten Essay ‚Der neue faschistische Körper‘ (Wirklichkeit Books, 2025). Beide Texte thematisieren rassistische Kontinuitäten, die sich durch das 20. Jahrhundert ziehen. Im Nationalsozialismus explodieren diese in der Form ungeheurer Verbrechen und tauchen im heutigen Rechtspopulismus wieder auf.
Herzog schlägt vor, den Nationalsozialismus als ein „Reich der Schadenfreude“ und Boshaftigkeit zu begreifen, in dem eine „enthemmte Gewalt gegen Minderheiten“ erlaubt war. Heute träfen ähnliche Anfeindungen Migrant_innen und „Menschen mit (angeblichen oder tatsächlichen) Behinderungen“.
Herzog zeigt auf, wie sich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beispielsweise in Form des Verächtlichmachens von vulnerablen Menschen bei der AfD in einer „obsessiven Beschäftigung mit Behinderung“ zeigt. Die Vehemenz, mit der die AfD etwa die Inklusion im Bildungsbereich ablehnt, geht mit der Unterstellung einher, die Inklusion sei die Ursache sämtlicher Probleme des deutschen Bildungssystems. Was schon allein deshalb Unsinn ist, da die Umsetzung der Inklusion in Deutschland erst in Ansätzen erfolgt ist. Anders als in anderen Ländern, wo seit vielen Jahren die Verschiedenheit der Menschen selbstverständlich für das Lernen ist und deren Schulsystem im globalen Vergleich viel erfolgreicher ist als das deutsche.
AfD als exemplarischer Fall von „Faschisierung“
Die AfD betrachtet Herzog als einen exemplarischen Fall der von ihr beschriebenen „Faschisierung“, „da die Partei die Ideale menschlicher Gleichheit und Solidarität vehement ablehnt und Bosheit gegenüber den Menschen an den Tag legt, die sie als verletzlich ausmacht; da sie rassifizierende Erklärungen für komplexe wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamiken in Umlauf bringt; und nicht zuletzt, da sie ein narzisstisches Verlangen nach Größe bedient.“
Herzog bestätigt damit, was auch die gegenwartsdiagnostische Basis für das kulturpädagogische Projekt „Grafeneck – Münster Münster // 1940 – heute“ bildet: Mit Identitätsunsicherheiten, wie sie vor hundert Jahren wie auch heute die Gegenwartskultur kennzeichne(te)n, gehen wir um, indem Menschen als Gruppen kategorisiert, hierarchisiert und bis zur Entmenschlichung entwertet werden, zu dem Zweck, auf die Verachtung der Entwerteten eine Fantasie von der eigenen Überlegenheit stützen zu können. Diese Größenfantasie hält Herzog deshalb für so attraktiv, weil die mit ihr verbundenen rassistischen Überzeugungen im Nationalsozialismus sexualisiert waren und dies auch heute sind. Sie spricht von „sexy Rassismus“. „Der sexy Rassismus – libidinös aufgeladene Botschaften, die Gefühle von Angst, Wut und Abneigung schüren oder, andersherum, ein erregendes Dominanzgefühl gegenüber rassifizierter Vulnerarbilität – erzeugt […] visuelle Echos mit antisemitischer Bildsprache sowie der Verherrlichung ‚arischer‘ Perfektion aus dem Dritten Reich.“ Auch im Nationalsozialismus sei die Entwertung von Menschen als ‚lebensunwerte Leben‘ sexualisiert gewesen. Die „Durchsetzung eines erotisierten eugenischen Paradigmas“, so Herzog, war der „Schlüsselfaktor für den Erfolg des Nationalsozialismus“.
Angeführte Publikationen von Dagmar Herzog
Eugenische Phantasmen. Eine deutsche Geschichte. Berlin: Suhrkamp 2024
Der neue faschistische Körper. Berlin: Wirklichkeit Books 2025, Zitate von den Seiten 6, 8 und 25
Die Fantasie vom schönen Volk, Interview von Nina Apin, taz vom 6. September 2025
Anmeldung
Weitere Infos zum Projekt
Prof. Dr. Jochen Bonz
Professor
Münster, Sozialwesen

„Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ ist ein Projekt der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert. In seinem Rahmen haben Studierende der katho Exkursionen nach Grafeneck unternommen und werden Workshops für Schulklassen angeboten.