Herausforderung und Verantwortung für Hochschule und Soziale Arbeit
Hochschulen sind keine diskriminierungsfreien Räume
Dabei lag ein besonderer Fokus auf dem Bildungsort Hochschule. „Denn auch eine Hochschule für Soziale Arbeit ist nicht frei von Machtmissbrauch. Auch wenn wir uns in Forschung und Lehre umfassend mit Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung beschäftigen, ist unsere Hochschule bei weitem kein diskriminierungsfreier Ort,“ so Prof.in Dr.in Marion Gerards, die Leiterin des IBuD in ihrer thematischen Einführung zum Fachforum. Im IBuD wird seit über 20 Jahren zu Machtkritik, Diversität und Diskriminierung geforscht. Mehrere IBuD-Mitglieder sind zudem aktiv im sogenannten katho-divers-Projekt, in dem es um die „Entwicklung einer diversitätsreflexiven und diskriminierungskritischen Kultur und Struktur“ an der katho geht. Diesbezüglich wurde im Wintersemester 2023/24 eine Status-Quo-Analyse durchgeführt, die Daten zur Diversität an der katho und zu den Diskriminierungserfahrungen von Student_innen und Mitarbeiter_innen an der katho lieferte.
Auch die eigenen Diskriminierungsdynamiken erforschen und bearbeiten
„Als Forschende und Lehrende sollten wir daher nicht nur den Rassismus und Antisemitismus `der Anderen` beforschen und thematisieren, sondern uns auch mit unseren eigenen institutionellen, strukturellen und personellen Diskriminierungsdynamiken befassen und dabei unsere Lehre auf den Prüfstand stellen,“ forderte Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann, stellvertretender Leiter des IBuD, in seiner Einführung. Welche gesundheitlichen und psycho-sozialen Risiken von Diskriminierungserfahrungen ausgehen, verdeutliche Prof. Dr. Michael Isfort, Prorektor für Forschung und Transfer an der katho, im Rahmen seines Grußwortes. Ausdrücklich dankte er den Veranstalter_innen für die Ausrichtung des Fachforums zu dieser Thematik.
Im Anschluss begrüßte Prof.in Dr.in Silvia Hamacher, Prodekanin des Fachbereichs, die Anwesenden und stellte die Bedeutung von Machtkritik für Bildung in den Mittelpunkt ihres Grußwortes.
Fokus Antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus
Die Keynotes am Vormittag über Antimuslimischen Rassismus von Prof. Dr. Karim Fereidooni (Ruhr-Universität Bochum) und über Antisemitismuserfahrungen der Dritten Generation von Überlebenden der Shoah von Frau Prof.in Dr.in Yvonne Brandl (Frankfurt University of Applied Sciences) führten in zwei zentrale Diskriminierungskategorien ein. Beide Keynotes eröffneten tiefe Einblicke, wie vielschichtig und vielfältig antimuslimisch-rassistische sowie antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft verankert sind.
Gerahmt wurde das Vormittagsprogramm von Huda Knobloch mit ihrer arabischen Kniegeige und auf der Viola sowie von Nahren Youssef mit ihrem berührenden selbst verfassten Text „Wir sind nicht anders“
Nach der Mittagspause ging es in drei parallelen Workshops weiter. In den ersten beiden Workshops standen ästhetische Praxen in Kontexten Sozialer Arbeit und Kultureller Bildung und aktuelle Forschungsergebnisse zum Studium der Sozialen Arbeit an der katho Aachen im Fokus, die jeweils macht- und diskriminierungskritisch diskutiert wurden.
Nahost-Konflikt: Miteinander reden statt übereinander
Mit dem dritten Workshop wurde der Wunsch von Studierenden nach einem differenzierten und offenen Dialog zum Nahostkonflikt aufgegriffen. Mohammed Ashmawi, Masterstudent an der katho Aachen mit Fluchterfahrung und palästinensischer Herkunft, und Sophie Orentlikher, ebenfalls Masterstudentin an der katho in Aachen und jüdischer Herkunft, gaben in einem fast einstündigen Dialog tiefe Einblicke in ihre Biographien, ihre Sozialisationserfahrungen in Bezug auf den Nahost-Konflikt und in ihre momentanen Emotionen und Sichtweisen auf die Situation seit dem 7. Oktober 2023.
Zahlreiche Teilnehmer_innen waren von diesem offenen und wertschätzenden Dialoggespräch zum Nahost-Konflikt sehr berührt und wünschten sich mehr solcher Formate an der katho, bei denen miteinander und nicht übereinander gesprochen wird und bei denen komplexe und kontroverse Themen differenziert und dialogisch bearbeitet werden. „Das, was in Gesellschaft, Medien, Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert wird, sollte auch in der Hochschulbildung als kontrovers erscheinen. Und in einem ermutigenden und wertschätzenden Diskurs sollten die verschiedenen Positionen und Sichtweisen ausgetauscht werden“, resümierte Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann zum Abschluss des Workshops.
Prof.in Dr.in Marion Gerards ist mit den Inputs, den Gesprächen, der Resonanz und den Ergebnissen des Fachforums sehr zufrieden und freut sich darauf, den kritisch-reflexiven Dialog auf dem nächsten Fachforum im Jahre 2026 am Standort Köln fortsetzen zu können.
GEDICHT: Wir sind nicht anders

Wenn ich schreibe, dann bin ich frei,
frei - und gleichzeitig verbunden.
Hier zählt kein Bürgerstatus mehr,
mein Wert bleibt ungebunden.
Das Schreiben war ein Zufluchtsort
den ich einst fand,
als Türen mir verschlossen warn’
kein Wort und keine Stimme für mich stand
Und hier,
zwischen Stift und weißem Papier,
im sogenannten Literaturrevier,
Durften Wunden heilen -
Wunden, die durch Mauern und Mustern entstanden,
die niemand hinterfragt.
Wo Schranken stehn’
aus Sichtweisen, aus Akten, aus Urteilen
- aus “Du gehörst nicht dazu!”
Hier wurzelt Würde und wächst Mut
Menschlichkeit, das höchste Gut
Die Schrift sprach, als mir das Wort verweigert blieb
Sie hörte zu,
Als ringsum Schweigen siegt
Zeile um Zeile lernte ich,
dass Würde nicht gewährt wird,
Sie wird entdeckt
Nicht durch Besitz, sondern durch Blick
Ich habe sie gespürt diese Schranken,
aus Sichtweisen, aus Akten, Urteilen
- aus: “Du gehörst nicht dazu!”
Und dennoch blieb mir ein Ort im Inneren,
wo Widerstand nicht schreit,
sondern schreibt
Ein Aufbegehren in leisen Zeilen,
die nicht vergessen, nicht vergehn’
Nehmen wir uns durch Sprache an die Hand
brechen wir das Bild der Fremde,
denn wir sind nicht anders
Wir sind nicht anders, nie gewesen
Nur anders oft gesehen und gelesen
von Nahren Youssef
ZUM INSTITUT
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Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann
Professor für Bildungs- und Erziehungswissenschaften
Aachen, Sozialwesen
Prof. Dr. Marion Gerards
Professorin für Ästhetik und Kommunikation in der Sozialen Arbeit, Schwerpunkt Musik / MAV Aachen
Aachen, Sozialwesen