Zum Hauptbereich springen Zum Fußbereich springen
| katho, | Münster,

Kulturarbeit mit inklusivem Ansatz: Forschungsprojekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ gestartet

Das kulturpädagogische Projekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ möchte mit Workshops, Tagungen, Ausstellungen und Videogroßprojektionen zu einer lebendigen Erinnerungskultur beizutragen. Unterstützt von zeitgenössischen Künstler_innen und eingebettet in ein inklusives Setting beschäftigen sich Studierende und Jugendliche mit den „Euthanasie“-Morden, die in der NS-Zeit in Grafeneck in Baden-Württemberg begangen wurden. Die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und die Gedenkstätte Grafeneck möchten den Teilnehmenden eigene Erfahrungen mit der inhumanen Geschichte ermöglichen.

Das neue Forschungsprojekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute. Entwicklung einer kulturpädagogischen Erinnerungspraxis für die Auseinandersetzung mit den NS-‚Euthanasie‘-Verbrechen“ nimmt die Geschichte Grafenecks in Baden-Württemberg in den Fokus. Hier wurden von Januar bis Dezember 1940 auf Erlass des NS-Regimes – in der sogenannten „Aktion T4“ – 10.654 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder psychischen Erkrankungen systematisch ermordet. Mit Bussen transportierten die Nationalsozialisten die Menschen an den Tatort. Ärzte, darunter auch ein Arzt, der später im Lagerkomplex Auschwitz tätig war, ermordeten die Menschen in der Gaskammer Grafenecks wenige Stunden nach ihrer Ankunft. Die Opfer stammten aus Krankenanstalten und Heimen in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Grafeneck war die erste von insgesamt sechs solcher Tötungsanstalten. Bischof Clemens August Graf von Galen trug mit seinen kritischen Predigten in der Lamberti-Kirche Münster maßgeblich dazu bei, diese systematische Vernichtung vermeintlich ‚unwerten Lebens‘ im Jahr 1941 zu beenden – gleichwohl wurden die Morde an Männern und Frauen, Alten, Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern dezentral in den Betreuungseinrichtungen fortgesetzt, indem man die Opfer verhungern ließ oder sie übermedikamentierte.
 

Räume schaffen und das eigene Erleben artikulieren

Heute erinnern eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum in Grafeneck an die „Euthanasie“-Morde. Hier setzt das kulturpädagogische Projekt an: Die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und die Gedenkstätte Grafeneck möchten Studierenden der Sozialen Arbeit und der Heilpädagogik/Inklusiven Pädagogik eigene Erfahrungen mit der Geschichte von Grafeneck ermöglichen. Die Studierenden leiten als Peers Geschichtsworkshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, die im Raum Schwäbische Alb/Reutlingen, in Münster und im Münsterland stattfinden werden.

In den Workshops sollen die Lebenswege von Opfern und die Lebensgeschichten von Tätern eine zentrale Rolle spielen. Die eigene Familiengeschichte wird als möglicher Ort der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit betrachtet. Dazu werden die Ideologie der Eugenik und Rassenhygiene sowie die nationalsozialistische Vorstellung von Volk, Volksgemeinschaft und ‚Volkskörper‘ thematisiert und ins Verhältnis zu heutigen gesellschaftlichen Tendenzen der Entwertung und Entmenschlichung gesetzt. Um ‚gelernte‘ Geschichte in ‚gelebte‘ Geschichte zu wandeln, finden historische Workshops in Kombination mit Gesprächsgruppen und Kunstwerkstätten statt. Die Studierenden und Jugendlichen arbeiten mit zeitgenössischen Künstler_innen zusammen – eingebettet in ein inklusives, partizipatorisches Setting mit kognitiv beeinträchtigten Menschen.

Außerdem finden in der Gedenkstätte Grafeneck und an weiteren Orten in Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen Ausstellungen und Videogroßprojektionen statt. Eine Tagung und eine Broschüre zum kulturpädagogischen Ansatz runden das Projekt ab.
 

„Das Projekt möchte weniger dozieren als vielmehr Interesse wecken“

„Wir möchten mit dem Projekt zu einer lebendigen Erinnerungskultur beitragen sowie den Entwertungs- und Entmenschlichungstendenzen in unserer heutigen Zeit entgegenwirken“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Jochen Bonz. „Dabei will das Projekt weniger dozieren als vielmehr Interesse wecken“, betont der Professor für Kulturpädagogik am katho-Standort Münster. Denn andere Menschen zu entwerten, um sich selbst als aufgewertet zu empfinden, sei auch heute ein verbreiteter Modus beispielsweise beim Mobbing unter Jugendlichen. „Das Entwerten Anderer ist eine Grundlage für Rassismus und weitere Formen der Entmenschlichung und kann – wie uns die Geschichte lehrt –, sowohl für die Betroffenen als auch gesamtgesellschaftlich hoch problematische Folgen haben“, so der Forscher.


Das Projekt wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) vom 01.04.2024 bis zum 31.12.2025 gefördert.

 

KOntakt für inhaltliche Fragen

Prof. Dr. Jochen Bonz

Professor

Münster, Sozialwesen

Katja Brittig

Pressekontakt

Katja Brittig

Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Köln, Dezernat VI - Akademische Angelegenheiten

2024 Soziales Forschung katho Münster News Pressemeldung
Zum Kopfbereich springen