Sport all inclusive? Perspektiven in Münster-Stadt & Land
Den Auftakt der Veranstaltung machte Dr.in Sina Eghbalpour von der katho Aachen mit einem Vortrag zum Thema „Wie können Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung im Vereinssport verbessert werden?“
Im Rahmen einer von der Aktion Mensch geförderten, umfangreichen Dissertation hat Frau Dr.in Eghbalpour sowohl Vereinsvorstände, Übungsleiter_innen Vereinsmitglieder wie Menschen mit Behinderungen und Vertreter_innen aus der Politik dazu befragt, wie sie den derzeitigen Stand der Inklusion im Breitensport beurteilen. Welche Erfahrungen bestehen mit Inklusion im Sport und welche Hemmnisse und Gelingensfaktoren für mehr Inklusion im Sport werden gesehen? Zentrale Ergebnisse sind unter anderem, dass 50-60% der befragten Übungsleiter_innen im Hinblick auf Inklusion Ängste vor einer höheren emotionalen Belastung sowie vor einem größeren Aufwand bei der Vor- und Nachbereitung haben. Vor diesem Hintergrund besteht ein ausgeprägter Wunsch nach Qualifizierungsmöglichkeiten. Die befragten Menschen mit einer Behinderung wünschen sich sowohl gemeinsame Angebote für Menschen mit und ohne Behinderung, aber auch Sportmöglichkeiten, in denen Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen unter sich sind. Als eines der größten Probleme für die Inklusion im Sport stellten sich in der Befragung die Mobilitätsbarrieren heraus. Ungedeckte und nichtfinanzierte Moblitäts- und Assistenzbedarfe, um z.B. gegen Abend zu und von einem Sportangebot zu kommen, verhindern häufig die Teilnahme. Zudem ermunterte Eghbalpour Menschen mit einer Behinderung bei Interesse am Sport, aktiv auf Vereine zuzugehen. Hier herrsche noch zu viel Zurückhaltung.
Im Anschluss stellte Kathrin Dette vom DJK-Sportverband Diözesanverband Münster e.V. Erfahrungen aus dem Projekt „Inklusion im SpORT“ vor.
In dem zweijährigen Projekt, das in drei Modellregionen durchgeführt wird – dem Rhein-Erft-Kreis, dem Kreis Coesfeld und der Stadt Dortmund – werden in Kooperation u.a. mit Sportvereinen, Förderschulen, Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung exemplarisch neue Formate realisiert, um Menschen mit einer Behinderung inklusive Zugänge zur Sportausübung zu bahnen. So wurden z.B. sogenannte Trainer-Assistent_innen für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung qualifiziert, um Trainer_innen zu entlasten. Darüber hinaus werden Menschen mit einer Behinderung Zugänge zu anderen Funktionen im Sport eröffnet, z.B. wenn Jugendliche aus Förderschulen über eine inklusive Linienrichterausbildung auf dieses Tätigkeitsfeld vorbereitet werden. Aus Sicht von Dette fängt Inklusion oft schon mit Kleinigkeiten an, z.B. wenn Sportvereine eine E-Mail-Adresse haben, unter der Inklusionsbelange an die Vereine herangetragen werden können. Auch Hinweise auf der Homepage, z.B. dass bestimmte Trainingsflächen barrierefrei sind, sind hilfreich. Wichtig sei, dass es im Verein konkrete Personen gibt, die sich zuständig für das Thema Inklusion fühlen.
Wie inklusiver Sport aussehen kann, präsentierten zwei Tanzpaare der Residenz Münster aus der Rollstuhltanzgruppe "Rock 'n' Rollis".
Ob Disco, Tango oder Rock’n Roll – die mitreißenden Tanzeinlagen zeigten, dass es sehr viele Möglichkeiten gibt, wie Menschen im Rollstuhl und "Fußgänger_innen" gemeinsam verschiedenste musikalische Rhythmen auf Rädern umsetzen können.
Den zweiten Teil der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion.
An der Podiumsdiskussion nahmen neben den zwei Referentinnen Sebastian Sekula, Triathlet bei TriFinish e.V., Münster und Inklusionstrainer bei SV Blau-Weiß Aasee, Paul Brussig, Inklusionstrainer SV Blau-Weiß Aasee, Dirk Henning vom Stadtsportbund Münster und Markus Grotthoff vom Stift Tilbeck, einer Einrichtung für Menschen mit einer Behinderung, teil. Moderiert von Katharina Ahlers diskutierte das Podium den gegenwärtigen Stand sowie die größten Hemmnisse und Gelingensfaktoren für mehr Inklusion. Auch wenn alle Teilnehmenden positiv bemerkten, dass in den letzten Jahren schon viele Aktivitäten dazu beigetragen haben, dass sich die Sportmöglichkeiten für Menschen mit einer Behinderung inklusiver geworden sind, wurden einige Probleme benannt. Das Thema fehlender Mobilitätsassistenz wurde von allen Podiumsteilnehmenden als Herausforderung gesehen. Hier fehle in der Eingliederungshilfe auf Seiten der Kostenträger sowie in der Teilhabeplanung häufig das Bewusstsein für die Bedeutung von sportlichen Aktivitäten für Menschen mit Behinderung.
Im Vereinsbereich gebe es trotz Zunahme der Mitgliederzahlen oft nur sehr wenig hauptamtliche Stellen, worunter auch die Förderung der Inklusion leide. Auch auf Landes- und kommunaler Ebene brauche es in den Sportverbänden mehr dauerhafte Ansprechpartner_innen für Inklusion und nicht nur befristete Stellen im Rahmen von Modellprojekten. Hinzu komme, dass es auch im ehrenamtlichen Bereich „Personalmangel“ gebe und Ehrenamtliche z.T. aufgrund fehlender Kontakte zu Menschen mit einer Behinderung Berührungsängste hätten. An dieser Stelle hoben die beiden ehrenamtlichen Inklusionstrainer die vielen positiven Erfahrungen in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung hervor, die sie als sehr bereichernd und motivierend erleben. Gut verständliche Handreichungen für Vereine, die inklusive Abteilungen neu aufbauen wollen, könnten die Aufbauarbeit erleichtern.
Seitens des Publikums wurden die unzureichenden Öffnungszeiten und die fehlende Barrierefreiheit von Hallenbädern thematisiert. Darüber hinaus wurde auf zielgruppenspezifisch unterschiedliche Bedarfe von Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen hingewiesen.
Wie hoch der Gesprächsbedarf zum Thema ist, zeigte sich daran, dass auch nach offiziellem Ende der Veranstaltung Referent_innen und Publikum in einem lebhaften Austausch über Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten blieben.
Text: Prof.in Dr.in Christiane Rohleder (Professorin für Soziologie; stellv. Leitung Institut für Teilhabeforschung)
Ansprechpartner_innen
Prof. Dr. Friedrich Dieckmann
Professor
Münster, Sozialwesen
Prof. Dr. Christiane Rohleder
Professorin für Soziologie; stellv. Leitung Institut für Teilhabeforschung
Münster, Sozialwesen