Wissenschaft im Rathaus: Tabuisiertes Leid im Pflegeheim
Die Unsicherheit unter den Zuhörer_innen zu Beginn des Vortrags war groß: Ist dieses Thema wirklich real? Leider ja und das habe viele Gründe, so Julia Steinfort-Diedenhofen: „Unter anderem liegt das an fehlenden Kenntnissen zum Thema sexualisierte Gewalt, mit deren Umgang und Aufarbeitung, Unsicherheiten hinsichtlich der damit ausgelösten Konsequenzen, die Sorge vor falschen Anschuldigungen oder auch die kollegiale Solidarität. Auch wenn in einer Einrichtung kein aktueller Fall von sexualisierter Gewalt vorliegt, ist die Investition in präventive Maßnahmen und Schutzkonzepte notwendig.“ Karla Verlinden ergänzt: „Denn Täter_innen wägen sich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Ageism und dem durch unsere Rape-Kultur geprägten Narrativ in Sicherheit, dass sexualisierte Gewalt nur junge (attraktive) Frauen sowie Kinder betrifft. Zum anderen treffen Täter_innen auf Gelegenheitsstrukturen in Altenhilfeeinrichtungen.“
Thematisiert und problematisiert haben die beiden katho-Dozentinnen im Vortrag auch bislang unzureichende Schutzkonzepte sowie asymmetrische Machtverhältnisse, die ebenfalls Einrichtungen zu unsicheren Orten für ältere Frauen machen können. Zum Abschluss forderten sie unter anderem die Finanzierung von Täter_innen- und Bystander-Prävention sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Fachkräfte in der Altenpflege, damit sie sexualisierte Gewalt verhindern und erkennen können. Bei einer Sache war sich das Plenum zum Abschluss sicher: Es braucht ein kollektives Verantwortungsbewusstsein, das über kurze öffentliche Skandalisierungen (jüngst Fall Ennepetal) hinausgeht!
Ansprechpartnerinnen:
Prof. Dr. Julia Steinfort-Diedenhofen
Professorin für Soziale Arbeit
Köln, Sozialwesen
Prof'in Dr. Karla Verlinden
Professorin
Köln, Sozialwesen